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Türkischer Staatsbesuch in Nürnberg (1867)

Ausländische Staatsbesuche in Bayern: Welchen Medienrummel hat das heute zur Folge? Als die britische Königin Elisabeth II. 1965 der bayerischen Hauptstadt einen Besuch abstattete, als der russische „Ersatzzar" Putin 2006 München oder Papst Benedikt im gleichen Jahr seine Landsleute besuchte, fand dies ein ebensolches Echo wie der Staatsbesuch des belgischen Königspaars Albert II. und Königin Paola im März 2011 in der bayerischen Metropole. Und als der türkische Ministerpräsident Erdogan Anfang November diesen Jahres in der Bundesrepublik weilte, war der deutsche Blätterwald voll mit Exklusivberichten.

 

Der letzte Besuch eines europäischen Staatsgastes in der alten Reichsstadt Nürnberg liegt schon über 50 Jahre zurück. Die thailändische Königin Sirikit weilte 1960 mit ihrem Gemahl, König Bhumibol, in der Noris. Und der fränkische Blätterwald war damals voller Bilder und Schlagzeilen.

Doch wie war das im Jahr 1867, als der oberste Türke, Sultan Abdülaziz, auf der Durchreise der fränkischen Metropole Nürnberg seine Aufwartung machte?

Über diesen Staatsbesuch referierte Professor Hartmut Heller beim Heimatverein Herzogenaurach.

Knapp 80.000 Einwohner zählte die Noris damals, doch nur wenige Tausend hatten sich am Abend 25. Juli 1967 am Hautbahnhof eingefunden, um dem Landesfürsten vom Bosporus ihre Aufwartung zu machen. Der exotische Abdülaziz, seit 1861 oberster Herr in dem damals noch riesigen türkischen Reich, kam von der Weltausstellung aus Paris. Mit dem Schiff war er bis Toulon angereist und machte dann dem französischen Monarchen Napoleon III. seine Aufwartung. Sicherlich besuchte er einige der rund 3000 deutschen Aussteller, bevor er eine Woche später nach London weiter reiste, wo ihm zu Ehren ein Empfang mit 30.000 Gästen, mit Truppenparade und Feuerwerk gegeben worden war. Schließlich war es das erste Mal, dass ein orientalischer Herrscher nach all den europäischen Wirren der französischen Revolution und der napoleonischen Kriege den Kontinent besuchte. Und noch immer saß vielen Mitteleuropäern die Furcht vor den Türken und ihrer militärischen Macht im Nacken.

Doch Sultan Abdülaziz war gewillt, sein Land dem Westen zu öffnen. Durch zahlreiche Reformen demonstrierte er dies. So war denn sein Besuch in Westeuropa die erste friedliche „Staats- und Touristenreise" der Neuzeit und sie bekundete gleichzeitig die friedliche Hinwendung der Türkei nach Westeuropa.

Das Staatsoberhaupt benutzte auf seiner Rückreise ausschließlich die Eisenbahn und somit lag Nürnberg auf der Strecke in Richtung Südosten, auch wenn die Trasse für den Orient-Express noch nicht vollständig ausgebaut war.

Am Nürnberger Hautbahnhof fanden sich  - wie sollte es anders sein -, in erster Linie Neugierige ein, die etwas von dem orientalischen Flair, der dem Herrscher vorausging, mitnehmen wollten.

Gespannt wartete man auf den Harem seiner Majestät, auf Kamele und türkische Leibregimenter. Doch anders als in Koblenz (damals noch preußisch), empfingen hier keine 10.000 Jubler den Monarchen. Und schließlich war die Enttäuschung der Nürnberger und jener Besucher groß, die aus einem Umkreis von 30 Kilometern angereist waren. Von orientalischer Pracht war wenig zu spüren. Fast die gesamte Reisegesellschaft war europäisch gekleidet. Der Sultan hatte keinen Harem dabei, keine schwarzen Diener mit Pistolen oder Krummdolchen. Lediglich ein paar weiße Turbane seiner Leibgarde ragten aus dem Gefolge heraus.

Nach der Begrüßung durch Prinz Adalbert von Hohenlohe war der Sultan „bei der großen Gewitterschwüle", wie der Chronist bemerkte, nach seiner Ankunft gegen 22 Uhr so erschöpft, dass er auf die angebotene Stadtrundfahrt verzichtete und sich stattdessen sofort in das angemietete Hotel „Bayerischer Hof" in der Karlsstraße fahren ließ. Ihm wurden keinen leichten Mädchen zugeführt. Lediglich edles Porzellan aus der Landeshauptstadt hatten die Organisatoren nach Nürnberg bringen lassen.

Auch die Medienberichte waren äußerst spärlich. Es wurde in den Gazetten nichts berichtet über die geladenen Ehrengäste noch über das gereichte Menü.  Offensichtlich war die Öffentlichkeit beim abendlichen Diner ausgeschlossen.

In der örtlichen Presse erschienen Tage später lediglich zwei mehr oder wenig sarkastische Gedichte, eines davon sogar in Nürnberger Mundart, welche den Sultan und sein Umfeld recht boshaft auf die Schippe nahmen und die Vielweiberei und die Rückständigkeit des osmanischen Reichs anprangerten.

Schon nach 14 Stunden verließ seine Majestät die Frankenmetropole wieder und am 26. Juli gegen Mittag fuhr der fürstliche Sonderzug in Richtung Süden weiter. Und was blieb von dem Staatsbesuch?

Da waren in erster Linie zufrieden dreinblickende Gastronomen, die an den Neugierigen gutes Geld verdient hatten, die Erinnerung an den einstigen Erzfeind des christlichen Abendlandes sowie die Genugtuung darüber, dass die süddeutsche Porzellanindustrie an Großaufträgen aus dem „Morgenland" weiterhin gutes Geld verdiente. Henkellose Kaffeebecher zu 100.000en wurden damals von den oberfränkischen und oberpfälzischen Fabriken an den Bosporus geliefert; ohne die Großaufträge hätte die Porzellanindustrie damals nicht überleben können.

Und bald entdeckte auch die Spielzeugindustrie das „Morgenland". Schellenbäume und Becken, Triangel und Schellenbäume wurden für die Jüngsten hergestellt und fanden Einzug in die Musikkapellen und Fanfarenzüge. Dass manche Franken ihren Hofhund verächtlich Sultan, Hassan oder Pascha riefen, sei nur am Rande erwähnt.

                                                            Klaus-Peter Gäbelein

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