Als es noch einstellige Telefonnummern in der Stadt gab
Als der Tüftler Philipp Reis vor 150 Jahren das erste Telefonat führte, ahnte er noch nicht, was sein neues Medium auslösen würde. Längst ist das Telefon in deutschen Haushalten ein Gebrauchsgegenstand, ohne den man sich den Alltag nicht mehr vorstellen kann.
„Wie war das eigentlich mit dem Telefon in Herzogenaurach vor 50, 60 Jahren" fragte Herbert Dummer beim Gesprächskreis des Heimatvereins „So war es früher...". Vorsitzender K.-P. Gäbelein wies eingangs darauf hin, dass es nach dem Krieg in der Stadt nur ein- bis dreistellige Telfonnummern gegeben hat. Die Fernsprechbesitzer waren in erster Linie Geschäftsleute und Fabrikbesitzer. Die Schuhfabrik Heinrich Schürr war unter der Nummer 3 zu erreichen, das Transportunternehmen Peetz hatte die Nummer 50, die „Krone" erreichte man unter Nummer 60 und um das heutige Haushaltswarengeschäft Maydt anzurufen, musste man die 235 wählen.
„Wen hätte man den in den Nachkriegsjahren anrufen sollen?" Die Gesprächsteilnehmer waren sich einig: Das Städtchen war noch überschaubar; man traf sich beim Einkaufen, tauschte die Neuigkeiten aus und informierte sich über den neuesten Klatsch. Nur für echte Notfälle bediente man sich des Fernsprechers und dabei musste man beim Nachbarn, in irgendeinem Geschäft um Erlaubnis bitten oder zur Post gehen, sich mit dem Gesprächsteilnehmer verbinden lassen oder später die gelbe Telefonzelle benutzen. Und wer wurde angerufen? Höchstens einmal ein Doktor oder gar die Klinik in Erlangen. Wer Kohlen oder Öl benötigte ging zum Händler und gab seine Bestellung auf - ein Telfon brauchte man hierfür nicht.
Mit dem zunehmenden Wohlstand in den 60-er und 70-er Jahren und mit der zunehmenden Mobilität, mit Ausflugsfahrten und Auslandsreisen wuchs auch der Wunsch die Daheimgebliebenen zu informieren. Vom Gardasee oder von der Rivieraküste aus informierte man "Wir sind gut angekommen, das Wetter ist fantastisch, das Wasser warm, alles ist in Ordnung". Doch von Italien aus ging das früher nur, wenn man im Besitz der notwendigen Telefonmünzen war, die es in Gaststätten oder Tabakläden gab.
„Wir haben uns ein Telefon angeschafft, nachdem unser Sohn auf der Welt war. So wollten wir sicher gehen, möglichst schnell einen Arzt anzurufen, falls das Kind ernsthaft krank werden sollte", so Georg P.. Und wie er, so suchten viele Herzogenauracher in den folgenden Jahren um einen Telefonanschluss bei der „Deutschen Post" nach, denn den Begriff „Telekom" kannte man damals noch nicht. Die Apparate waren anfangs noch plump und in Schwarz gehalten, der Hörer musste auf die Gabel gelegt werden und in manchen Geschäften oder Gaststätten hing das „schwarze Ding aus Bakelit" (eine Kohlenstoffverbindung und dem Plastik ähnlich) im Gang an der Wand und rundherum hatten Telefonkunden mangels eines Schreibblocks Nummern an die Wand gekritzelt. Und besonders ärgerlich war es, wenn in den Telfonzellen die Telfonbücher „misshandelt", wenn Seiten aus den Telefonbüchern gerissen oder die Hörer abgerissen worden waren.
In den 70-er Jahren wurde die Post farbenfroher und moderner. Nun gab es farbige Telefonapparate: cremefarben statt schwarz, in grün, orange oder in kräftigem Rot. Und bald wurden die Geräte mit Wahlscheibe durch Drucktastentelefone abgelöst. Und für die echten Telefonliebhaber gab es längst vierstellige Telefonnummern und zur Verschönerung ihrer Apparate barocke Überzüge, die zu den voluminösen Wohnzimmermöbeln passten.
In den 8o-er Jahren entdeckte dann auch die Jugend die Vorteile der Fernsprechverbindung. Nach dem Unterricht wurden der Freund oder die Freundin angerufen, mehr oder weniger nichtssagende Neuigkeiten oder die Ergebnisse der Mathematikhausaufgaben ausgetauscht. Da konnte s schon passieren, dass die Telefonverbindung stundenlang blockiert war und die Rechnung am Monatsende sehr zum Leidwesen des Haushaltsvorstandes einen dreistelligen Betrag ausmachte, denn das „flat rate" Telefonieren war noch nicht geboren.
Längst ist das gelbe Markenzeichen der Deutschen Post dem rosa leuchtenden T der Telekom in Deutschland gewichen und die Zahl der Telefonanbieter hat fast unüberschaubare Ausmaße angenommen. Längst ist das Telefon kein Statussymbol mehr, sondern ein normaler Gebrauchsgegenstand geworden, zumal inzwischen rund 80% aller Bundesbürger sogar über ein Mobiltelefon verfügen. Klaus-Peter Gäbelein