Herzogenaurach (gä) Genau auf den Tag sind es 40 heute Jahre, dass das altehrwürdige „Schießhaus" der Spitzhacke zum Opfer gefallen ist. Einige wenige Postkarten aus der Zeit vor und nach dem 1. Weltkrieg, teilweise handkoloriert, zeigen ein anheimelnd anmutendes kleines Häuschen, von Wasser umgeben, auf dem sich Gänse und Enten tummeln. Bisweilen ist das „Schießhaisla" auch mit einem Ruderboot zu sehen.
Ältere Herzogenauracher erinnern sich noch gut an das ehemalige Domizil der hiesigen Schützengilde von 1399. Immer wenn die Aurach, die sich damals noch durch ein anderes Bett zwängte, Hochwasser führte, mussten die Bewohner des Häuschens einen Kahn oder zumindest Gummistiefel zu Hilfe nehmen, um trocken Fußes von der Schütt aus zur ihrer Wohnung zu gelangen, so berichten Augenzeugen.
Lange Jahre lebte die Familie Farnlucher im Schießhaus an der Aurach südlich des heutigen Omnibusbahnhofs und in der Nähe eines Holzstegs, der damals über die Aurach hinüber zum Köpfwasen führte. Dann zogen Barbara und Ludwig Bittel ein. Deren Tochter, „Gretel" Schaub erinnert sich: „Es war nur ein kleines Häuschen mit zwei Zimmerchen und einer großen Wohnküche. Nach dem Tod meiner Mutter lebte mein Vater hier allein, bevor er die letzten Jahre im Spital (heutiges Stadtmuseum) verbrachte. Imposant und wunderbar Schatten spendend war der große Birnbaum neben dem Haus."
Im Wahlkampfjahr 1970 befand sich der amtierende Bürgermeister Hans Maier in Urlaub, da ließ sein Stellvertreter, Dr. Welker, im April 1970 die „alte Hütte" abreißen. Hans Ort, von 1970 bis 1990 Stadtoberhaupt, bedauerte immer wieder, dass er diesem Unterfangen während seiner Amtszeit niemals zugestimmt hätte.
Sicher hätte man das Gebäude, dessen erste urkundliche Erwähnung auf die Jahre 1595/96 zurückgeht, in den 70-er Jahren unter Denkmalschutz gestellt und der Nachwelt erhalten.
Doch - was hat es mit dem Schießhaus auf sich? Über Jahrhunderte war es Treffpunkt der Herzogenauracher Schützen. Als ältester Verein der Aurachstadt sind die Schützen seit 1399 bezeugt. Herzogenaurach, spätestens seit 1348 mit Stadtrechten ausgestattet, hatte wie andere mittelalterliche Städte das Recht seine Bürger durch eine Bürgerwehr zu schützen.
Nur in Kriegszeiten bestand für alle waffenfähigen Männer unserer Stadt die Pflicht zur Verteidigung, im Frieden gab es keine Wehrpflicht. Trotzdem bildeten sich aus den Reihen der Bürger Wehrverbände, die den Zweck hatten, auch in Zeiten der Ruhe ihre Mitglieder im Gebrauch der Waffen zu üben. So entstanden die Schützengilden. Es war allgemein üblich, dass die ältesten Schützengesellschaften sich als eigene Zunft oder Bruderschaft unter den Schutz des heiligen Sebastian stellten. Geschossen wurde seit etwa 1400 mit der Armbrust, die trotz des Einzugs der „Feuerbüchse" bis in die Zeit des 30-jährigen Krieges (1618-1648) als „vornehmere Waffe" galt.
Die Oberaufsicht über die Schützen übte die Stadtverwaltung aus, welche die jährlichen Schützentreffen teilweise finanzierte und für die besten Schützen Preise spendierte. Heimatforscher Luitpold Maier hat in den städtischen Baumeisterrechnungen (heute der Stadtkämmerei entsprechend) mehrfach Hinweise gefunden, wonach die „Schießgesellen mit Speis und Trank" sowie mit Ehrenpreisen belohnt wurden. Als solche finden sich wiederholt Hinweise auf „Hosenstoff" der hiesigen Tuchmacher für die Sieger, doch auch Fahnen oder Becher sowie „Schilder" (Vorläufer der späteren Schützenketten) gab es zu gewinnen.
Der Schulmeister, als einer der Wenigen des Schreibens kundig, führte genau Buch über die Schießergebnisse. Von hiesigen Schützentreffen erfahren wir an bestimmten kirchlichen Feiertagen, wie im Jahr 1488 am Laurentiustag (10. August). Und immer wieder zog es die Schützen auch nach auswärts. Und so erfahren wir von Wettbewerben in Forchheim, Bamberg, Höchstadt, Schwabach oder „Neuenhaus" (Neuhaus).
Ende des 16. Jahrhunderts wurde das Schützenwesen dann in geregelte Bahnen gelenkt. Man verbot „Kugelplätze" innerhalb der Stadtmauern. Offenbar wurde damals noch innerhalb der Stadt in Richtung Stadtmauer geschossen, verbot, auf Hühner und Enten oder gar auf Gänse zu schießen und stellte 1599 den „Schießgesellen" den „Wasen" (die Wiese) zwischen Sandtor (Nürnberger Tor) und der Aurach für ihre Schießübungen zur Verfügung, auf der dann anstelle einer armseligen Bretterhütte das gemauerte Schießhaus errichtet wurde.
Dasselbe wurde immer wieder ausgebessert und erneuert, zuletzt 1771, ein Jahr bevor eine große Hungersnot mit einer anschließenden „Teuerung" Franken erschütterte. Die Jahreszahl 1771 mit einem „hochfürstlichen Wappenschild" wurde von Bildhauer Mender über der Tür „eingehauen".
Bis 1864 blieb das Schießhaus im Besitz der Stadt, die es dann an Johann Wegner verkaufte. In der napoleonischen Ära und nach der Zughörigkeit unserer Heimat zu Bayern (ab 1806) waren die „Schützenkompanien" aufgelöst worden, bevor sie nach dem 1. Weltkrieg eine Renaissance erlebten.
Heute gehört der älteste einheimische Verein, die Schützengilde von 1399 unter ihrem rührigen Vorsitzenden Gotthold Hochrein, zu einem der 123 Herzogenauracher Vereinen. Und weil das „Schießhaisla" nicht mehr zur Verfügung steht, geht man heute unterhalb des Schuttberges an der" Nutzung" seinem Hobby nach.
Klaus-Peter Gäbelein