Vortrag Dr. Reinhard Rusam
Sehr großen Zuspruch erfuhr der Heimatverein bei seiner jüngsten Vortragsveranstaltung zum Thema „Österreichische Exulanten in Franken“. Dr. Reinhard Rusam, emeritierter evangelischer Theologe aus Ansbach, referierte gleichsam aus eigener Erfahrung, denn seine Vorfahren hatten die Ausweisung von evangelischen Christen (Exulanten) aus Ober- und Niederösterreich am eigen Leib erfahren.
Bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts erfreute sich die Lehre Luthers in den österreichischen Landesteilen des Heiligen Römischen Reiches größter Beliebtheit Schon 1521 wurden im Wiener Stephansdom Gottesdienste nach der Vorstellung Martin Luthers gehalten. Rund 90% Prozent der Bevölkerung hatte sich der Lehre des Wittenberger Reformators zugewandt. Man war begeistert von der Abschaffung der Ohrenbeichte und des Ablasshandels. Die einfache Bevölkerung folgte den meisten Adligen und trat zum neuen Glauben über.
Immer häufiger traten die Zerwürfnisse zwischen dem habsburgisch- katholischen Kaiser und den protestantischen Adligen zutage. Als die Obrigkeit im Jahre 1600 anordnete, dass alle Abtrünnigen vom alten Glauben binnen dreier Monate das Land, speziell die heutigen Bundesländer Ober- und Niederösterreich verlassen mussten. Kaiser Ferdinand II., in Ingolstadt streng von Jesuiten erzogen, wollte „lieber über eine Wüste herrschen“ als über abtrünnige Katholiken und startete die Gegenreformation zur Rückkehr der Abtrünnigen.
Die Glaubensstreitigkeiten eskalierten letztlich im Prager Fenstersturz (1618), der wiederum zum 30-jährigen Krieg führte. Bald kämpften nicht nur die beiden Konfessionen mit ihren militärischen Machtblöcken gegeneinander; vor allem Süd-Deutschland wurde zum Schlachtfeld der europäischen Großmächte. Leidtragend war die Zivilbevölkerung. Evangelischen Gläubigen untersagte man generell die freie Religionsausübung, belegte sie mit Kirchenstrafen und harten finanziellen Bußen. Wer nach Ostern keinen Beichtzettel vorzeigen konnte, wurde mit 30-60 Gulden (damals ein Vermögen) belegt, Lutheraner durften ihre Verstorbenen nicht mehr auf den Gemeindefriedhöfen beerdigen und Soldaten trieben die Gläubigen mit Gewalt in die (katholischen) Kirchen.
Nachdem durch ein „Mandat“ (Erlass) in den heutigen österreichischen Ländern 1624 angeordnet worden war, dass Lutheraner innerhalb von acht Tagen das Land zu verlassen haben, suchten viele Flüchtlinge im benachbarten Bayern und vor allem in Franken Zuflucht. Besonders im südlichen und westlichen Mittelfranken waren durch den Krieg inzwischen weite Teil entvölkert, so dass die protestantischen Flüchtlinge in den entstandenen Wüstungen und öden Landstrichen willkommene Neusiedler waren.
Sie fanden in den Teilweise entvölkerten heutigen evangelischen Teilen Mittelfrankens eine neue Heimat und wussten durch ihren festen Glauben, ihren Zusammenhalt, durch Fleiß und handwerkliches Geschick (Holzverarbeitung, Textilherstellung) zu gefallen. Andernorts machten sie teilweise die Hälfte der Bevölkerung aus. Sie brachten neue Fertigkeiten und Wörter aus ihrer Heimat mit. Zahlreiche Familiennamen verweisen zudem heute noch auf zugewanderte Österreicher, wie einige der folgenden Endungen beweise: - brunner/en (Schrettenbrunner; Kaltenbrunner), - holz (Schlagholz, Frischholz), -wald (Frühwald, Grünwald), -garten/gartner (Baumgartner), -maier (Lugmaier, Lohmaier), -ham (Ru(h)sam).
Laut Dr. Rusam sind durch die Familien- und Namensforschung in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Partnerschaften zwischen fränkischen Orten und der ursprünglichen Heimat der einstigen Exulanten aus Ober- und Niederösterreich entstanden.
Klaus-Peter Gäbelein