Bierstreik?
Herzogenaurach „Die Bierbrauer legen die Arbeit nieder"
Gehen die Biertrinker in Bayern schlechten Zeiten entgegen? Die Angestellten im Braugewerbe sind mit der Lohnentwicklung nicht zufrieden. Nach einer Meldung der dpa sind die Beschäftigten mehrerer Münchner Brauereien und auch die Kulmbacher Brauerei in einen achtstündigen Streik getreten. Während die Angestellten unter anderem eine Lohnerhöhung von 6% fordern, sind die Arbeitgeber lediglich zu einem Zugeständnis von 2,1% bereit.
Droht mit dem Streik den Biertrinkern zu Ostern ein „trockenes Wochenende"? Und das noch zum „Tag des Deutschen Bieres"?
Gemach, gemach, liebe fränkische Biertrinker. Die Lager der Brauereien sind bestens gefüllt, so dass eine Arbeitsniederlegung von gerade einmal einem Arbeitstag hier nicht ins Gewicht fällt. Außerdem kommt Entwarnung aus berufenem Mund. Alexander Heller, Juniorchef in Herzogenaurachs letzter eigenständiger Brauerei beruhigt die Konsumenten: "Der Streik betrifft nur die Industriebrauereien, die kleinen fränkischen Bierbrauer haben damit nichts zu tun! Wir arbeiten ganz normal weiter!"
Das wäre ja noch schöner, wenn gerade zum „Tag des Deutschen Bieres", der seit 1994 jeweils am 23. April begangen wird, und zwar zur Erinnerung an die Einführung des bayerischen Reinheitsgebots 1516, der Gerstensaft auf unseren Bierkellern und in den Wirtshäusern ausgehen sollte!
Bierstreiks sind in der fränkischen und bayerischen Biergeschichte nichts Neues. Vor rund 100 Jahren standen die Zeichen auf Sturm, als in Bayern der Bierpreis von 50 Pfennigen auf 52 Pfennige, ja mancherorts sogar auf 58 Pfennige pro Liter erhöht werden sollte. 1910 sind die bayerischen Biertrinker auf die Barrikaden gegangen. Ursache war die Einführung einer „allgemeinen Einskommenssteuer", die auch die Brauereien betraf. Und wie immer, so sollte auch diese Steuer an die Verbraucher weiter gegeben werden.
Sie hatte zur Folge, dass die Brauereien den Bierpreis um zwei Pfennige erhöhten. Ein Sturm der Entrüstung ging durchs Land. Auch in Herzogenaurach wurde „das gesamte biertrinkende Publikum" zum „Bierstreik" aufgerufen. Da die letzte Bierpreiserhöhung erst ein Jahr zurück lag, wollten die Verbraucher durchsetzen, dass die neue Gemeindebiersteuer von 2,60 Mark pro Hektoliter nicht auf die Verbraucher abgewälzt werde. Im genannten Aufruf werden die Biertrinker aufgefordert „durchzuhalten um jeden Preis" und auf einem weiteren Plakat heißt es „Herzogenauracher, Geschäftsleute, Arbeiter und Arbeitslose! Die Gerechtigkeit ist auf Eurer Seite! Haltet zusammen. Laßt auf einige Wochen das Biertrinken vollständig sein! Die beiden Gewerkschaftskartelle."
Die extrem heißen Tage im Sommer 1910 brachten jedoch die besten Vorsätze der Streikenden ins Wanken. In der Tageszeitung war schließlich zu lesen „Stärker als der gute Wille der Boykottierenden hat sich die Hitze und der dadurch erzeugte Durst erwiesen." Es gab viele geheime Sünder, die sich am Bier labten, das Frauen und Kinder teilweise unter Kleidern oder in Körben versteckt, heimlich in die Wohnungen bringen mussten.
Jahre später, im Inflationsjahr 1923 stieg der Bierpreis auf 140 Mark für den Liter und erreichte am 20. November die Schwindel erregende Summe von 520 Milliarden Mark. Mit Einführung der neuen Währung, der „Rentenmark", festigte sich der Bierpreis wieder. 1927 lag er bei 46 Pfennigen für den Liter, erhöhte sich aber bis 1930 auf 60 Pfennige.
Und wo liegen die Bierpreise in der Stadt heute? In der Brauerei Heller kostet die „echte Halbe" noch 1,80 Euro , in anderen Gaststätten muss man für das Glas Pils mit einem Inhalt von 0,4 Litern um 2,40 Euro und mehr auf die Theke legen.
Übrigens beteiligt sich die Heller Brauerei auch nicht an dem von der „Gütegemeinschaft Traditionsbier" angeregten Aktion, am „Tag des Deutschen Bieres" ein „Jahrgangsbier" mit maximal 6000 Litern einzubrauen, das dann nach 120 Tagen (etwa Ende August) in einzeln nummerierten Flaschen in den Handel kommt.
Nachdem bekanntlich das Freibier das einzige Bier ist, von dem man keine Kopfschmerzen bekommt, hat Alexander Heller die Anregung des Heimatvereins zur Kenntnis genommen, am „Tag des Deutschen Bieres" im nächsten Jahr einmal Freibier in einem beschränkten Zeitraum auszuschänken. „Ich werde das mit meinem Schwiegervater besprechen", so der Braumeister.
Freibier an einem solch wichtigen Gedenktag, das wär´s doch - oder?
Klaus-Peter Gäbelein