Mit Handbohrmaschinen begann der Aufstieg
Herzogenaurach. Der Gesprächskreis „So war es früher....“ beim Heimatverein erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Hier berichten Augen- und Zeitzeugen über gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen in der Aurachstadt. Beim letzten Treffen mit ehemaligen Betriebsangehörigen ging es um die Geschichte der Firma Weiler in Herzogenaurach und Mausdorf.
80 Jahre: Ein Firmenjubiläum bei Weiler im kommenden Jahr? Neubürger werden sich fragen „Was ist denn das, die Firma Weiler“? Nun, für Herzogenaurach war das Unternehmen, das 1938 in der Würzburger Straße gegründet worden ist ein Segen. Um in dem bettelarmen Städtchen Herzogenaurach, das durch die Schuhindustrie zu einseitig strukturiert war, eine zukunftsichere und krisenfeste Industriebasis zu schaffen, hatte Ingenieur Friedrich Weiler (damals Besitzer der „Fränkischen Radiogesellschaft in Nürnberg) zusammen mit seinem Bruder Hermann und dem einheimischen Brauereibesitzer Paul Hubmann als Investor die Maschinenfabrik Weiler gegründet.
Am Ende der Würzburgerstraße, wo heute Bürogebäude, Arztpraxen und ein Seniorenheim ihren Platz haben, wurden früher Drehbänke und Langdrehautomaten gefertigt. Man begann mit 23 Mitarbeitern und bis Kriegsende beschäftigte Weiler 150 Mitarbeiter. Mit Kriegsbeginn mussste man für die Rüstung arbeiten, nach 1945 erlaubten die US-Besatzer zunächst die Produktion von Haushalts(Kartoffel)pressen und landwirtschaftlichen Maschinen. Nach der Währungsreform (1948) ging es mit der Produktion von Leitspindeldrehbänken weiter aufwärts und 1968 wurde die 30 000ste Hochleistungsdrehmaschine ausgeliefert.
Die Firma Weiler boomte in der Zeit des Wirtschaftswunders. Man expandierte und baute ein Werk in Ansbach (1959). Infolge der räumlichen Enge im Stammwerk in Herzogenaurach hatte Firmenchef Friedrich Weiler 1971 außerdem einen Zweigbetrieb des blühenden Unternehmens auf der „grünen Wiese“ im benachbarten Mausdorf errichtet. Schließlich wurde das gesamte Herzogenauracher Stammwerk Anfang der 90-er Jahre nach Mausdorf verlegt, weil an der Aurach keine Expansionsmöglichkeiten bestanden.
Sprichwörtlich und vorbildlich waren in der Nachkriegszeit die Weilerschen Sozialleistungen, wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Bauhilfen sowie Studienförderung (duales Studium) und die Ausrüstung von Berufsschulwerkstätten. Konnte man 1980 noch einen Umsatz von 50 Millionen DM verzeichnen, so stieg dieser bis 1986 auf stolze 110 Mio.; 800 Mitarbeiter zählte man damals in den Werken Mausdorf und Ansbach.
Zusätzlich war man bereits Ende der 50-er Jahre aktiv geworden in Sachen Entwicklungshilfe und produzierte ab 1965 sogar in Indien.
Noch heute schwärmen ehemalige Weiler Mitarbeiter von den „Betriebserholungsreisen“, wie man die Betriebsausflüge nannte. Sonderzüge (ab Bahnhof Herzogenaurach !) und Sondermaschinen ab Flugplatz Nürnberg brachten die Belegschaft nach Berlin anlässlich des 25-jährigen Betriebjubiläums, nach Österreich, Italien oder ins damalige Jugoslawien. Man genoss Sonne und Meer in Lignano, Venedig oder Dubrovnik (slowenische Adria) und Portoroz. Das größte Problem das es anfangs zu lösen galt, war die Frage: in welchem Zugabteil sollen diejenigen sitzen mit den Freizeitanzügen mit dem Puma auf der Brust und wo und wie bringen wir die unter mit den drei Streifen und dem Dreiblatt? Schließlich ging damals die Spaltung zwischen adidas und Puma noch mitten durchs „Schdeetla“.
„48 Stunden haben wir damals in der Woche gearbeitet und auch Samstagarbeit gehörte dazu!“, erinnern sich die Älteren. Und der Stundenlohn lag nach der Währungsreform noch unter 1 DM. „1961 bin ich mit stolzen 70 Mark in der Woche nach Hause“ weiß ein anderer zu berichten. Damals war auch ein Akkordsystem eingeführt worden. Weiler Mitarbeiter hatten in den 60-er Jahren noch Anspruch auf zwei Wochen (bezahlten) Betriebsurlaub im Sommer sowie auf eine freie Woche über Pfingsten.
Firmenchef und Ehrenbürger Friedrich Weiler hatte an alles gedacht: 1948 war eine eigene Gießerei für Rohteile in Betrieb genommen worde. „Alles wurde geschmolzen, was aus Metall bestand. Metallabfälle bezog man von Schrotthändlern und der Koks für den Hochofen kam von den Erlanger Stadtwerken; dort war er als „Abfall“ bei der Gasherstellung angefallen. Und weil in der Gießerei, Putzerei und Schleiferei immer sehr viel Schmutz angefallen ist, erhielten die Arbeiter zwei Liter Milch/Tag als Sonderration. Als zusätzliche Prämie bekam man sogar fünf arbeitsfreie Tage.
In der Würzburger Straße gab es eine eigene Kantine, in der sogar geschlachtet worden ist; sie wurde vom Schattan und vom Nixn Michl (einem Herzogenauracher Original) betrieben. Daneben erhielten die Mitarbeiter einen Zuschuss von 1,50 DM für ein Essen in der gegenüber liegenden Gastwirtschaft „Zur frischen Quelle“. Manchen Mitarbeiter zog es am Freitag nach der Lohnauszahlung in die benachbarten Gaststätte „Volkshaus“ oder zum „Spootz“ (Gaststätte „Zur Eisenbahn“) neben dem Bahnhof. Hier holten sich anfangs in der „schlechten Zeit“ die Ehefrauen die gefüllten Lohntüten, bevor sie leer waren.
Karl Prokop (lange Jahre Stadtrat) war lange Jahre der Bürochef, Hans Hirsch hieß der „Produktionsleiter“ und Marie Maier hatte im Büro das Sagen.
Robert Wirth, seit Jahren erfolgreicher Geschäftsmann und später selbstständiger Firmenbesitzer am Ortsausgang von Münchaurach hat bei Weiler gelernt. „Mein Vater war mein strenger Lehrherr. 20 Mark in der Woche oder 80 am Monatsende waren ein solzer Verdienst, von dem 10 Prozent auf ein von der Firma angelegtes Sparbuch wanderten“,so erinnert er sich.
Nachdem Kanzler Adenauer und der indische Regierungschef Nehru in den 50-er Jahren ein Wirtschaftsabkommen geschlossen hatten, leistete die Maschinenfabrik Weiler auch Entwicklungshilfe. Juniorchef Hermann Weiler, seit 1968 in der Geschäftsleitung und späterer Eigentümer des Unternehmens
Manch Weiler Mitarbeiter durfte bis in die 80-er und 90-er Jahre im Land der heiligen Kühe als Monteur indische Arbeiter anlernen. „Als größtes Problem erwies sich hierbei das indische Kastenwesen“, erinnernt sich Dittmar Walz. „Solche aus einer höheren Kaste erwiesen sich oftmals als zu stolz für einfache Arbeiten, die sie lieber den Kollegen aus den unteren Kasten überließen. Unsere deutsche Arbeitsmoral war auf Indien ganz einfach nicht übertragbar“, so der langjährige Weiler-Fachmann.
1988 beging man bei Weiler das 50 –jährige Betriebsjubiläum, allerdings nicht in Herzogenaurach, sondern im neuen Werk in Mausdorf. Geschäftsführer war inzwischen der Gründersohn Hermann, der sich auch in einem Werk in Indien engagierte.
1990 erwarb die österreichische Unternehmensgruppe Voest-Alpine aus Linz das schwächelnde Weiler Unternehmen. Dann machte Weiler immer wieder neue Schlagzeilen: 1991 übernahm Diplomkaufmann Friedrich K. Eisler, ein gebürtiger Kärntner, die Geschäftsführung und wurde 1995 alleiniger geschäftsführender Gesellschafter, sprich Eigentümer. Im Jahr 2000 erwarb er den tschechischen Weiler Zweigbetrieb in Holoubkov nahe Pilsen und gliederte danach seine beiden Söhne in das Familienunternehmen mit ein, bei dem heute rund 550 Mitarbeiter beschäftigt sind, rund etwa 300 davon in Mausdorf.
Die Firma Weiler ist mit 140 000 verkauften Einheiten Marktführer im deutschsprachigen Raum für konventionelle und zyklengesteuerte Präzisions- und Drehmaschinen. Das Unternehmen expandierte 2006 nach Nordamerika (North American Corporation) und übernahm 2016 den Präzisionsmaschinenhersteller Kunzmann nahe Karlsruhe.
Klaus-Peter Gäbelein