Die Geschichte der evangelischen Gemeinde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts
Herzogenaurach. Herzogenaurach war seit dem 11. Jahrhundert katholisch, lange bevor es diesen Begriff gegeben hat. Seit knapp 500 Jahren bambergisch und lange Jahre südlichster Vorposten und Festungs- bzw. Grenzstadt des Bistums Bamberg an der Grenze zum Territorium der Reichsstadt Nürnberg und der Nürnberger Burg- bzw. Markgrafen, hatte hier die Bamberger Kirche das Sagen.
Und nun am 20./21. März Kirchenweihe einer protestantischen Kirche, noch dazu der zweiten in einem Dreivierteljahrhundert. Wie verträgt sich das?
Nach dem Thesenanschlag durch Martin Luther und der Lösung seiner Anhänger von der alten Kirche nach 1517 traten zahlreiche Fürsten mit ihren Untertanen und die freien Reichsstädte zum „neuen Glauben" über, darunter auch die Nachbarstadt Nürnberg.
Auch in Herzogenaurachs Nachbarschaft machte sich der neue Glaube breit. Mit der früheren Pfarrei Veitsbronn nahmen fast alle Gemeinden südlich der Aurach Luthers Lehre an und auch das benachbarte Benediktinerkloster Münchaurach wurde bis 1550 aufgelöst.
Bis ins 17. Jahrhundert lebten in Herzogenaurach nur wenige evangelische Christen. Bekanntester von ihnen war Joachim Ludwig von Seckendorff, Herr von Obernzenn, Meuselwitz, Schnauder-Hainichen, Mumsdorf und Gumberda, 1626 in Herzogenaurach geboren als Sohn des Amtmanns Joachim Ludwig von Seckendorff, der zu einem der bedeutendsten evangelischen Kirchenlehrer des 17. Jahrhunderts aufstieg.
Die nach Herzogenaurach zugezogenen Protestanten fühlten sich zunächst keiner bestimmten Kirchengemeinde zugehörig. Sie besuchten die Gottesdienste in den benachbarten „lutherischen" Pfarreien Münchaurach, Frauenaurach, Puschendorf oder Obermichelbach. Erst nach der Vergrößerung und der Erhebung Bayerns zum Königtum (ab 1806), wurden klare Fronten geschaffen. Die in herzogenaurach wohnenden Protestanten wurden in die evangelische Pfarrei Münchaurach und die in Münchaurach wohnenden Katholiken in die katholische Pfarrei Herzogenaurach eingegliedert. Ab 1846 wurde Münchaurach eigenes Dekanat. Inzwischen war aber die protestantische Burgstaller Bevölkerung in die Kirchengemeinde Obermichelbach eingegliedert worden.
1866 lebten in Herzogenaurach unter 1850 Einwohnern 34 evangelische Familien mit insgesamt 104 Personen. Und es gab inzwischen auch 15 konfessionsgemischte Familien, in denen die Kinder allerdings weitgehend katholisch erzogen worden sind. Die wenigen evangelischen Kinder, maximal 15, wurden ab 1861 vom „zweiten hiesigen Lehrer" zweimal wöchentlich in einem „winzigen kleinen Stübchen im Rathaus-Gebäude" in ihrer Religion unterrichtet. Von den 65 Gulden Schulgeld mussten allerdings die Eltern der evangelischen Schüler mehr als die Hälfte (nämlich 35 Gulden) aufbringen, was für sie eine nicht unerhebliche finanzielle Belastung bedeutete.
Weil die evangelischen Gläubigen noch über keinen eigenen Gottesdienstraum verfügten, konnte sich ein eigenes Gemeindeleben nur wenig entwickeln. Der Weg zur Münchauracher Kirche war doch ziemlich beschwerlich, zumal man ihn im Regelfall zu Fuß zurücklegen musste. In einer Pfarrbeschreibung aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts heißt es: „ Nachlässig im Kirchenbesuch sind die Honoratioren in Herzogenaurach, dagegen den Bürgerstand daselbst in dieser Beziehung ein geringer Tadel trifft." Pastorale Hausbesuche waren bei der Größe des Münchauracher Dekanats fast nicht möglich, zumal die Besuche in den evangelischen Gemeinden (Oberreichenbach, Neundorf) sehr viel Zeit verschlangen. Deshalb bat der Dekan inständig um die Zuteilung eines Hilfsgeistlichen, denn dadurch „ließe sich wohl auch für Herzogenaurach wenigstens eine Besserung in der kirchlichen Fürsorge und geistlichen Pflege erzielen."
Im April 1888 wurden „biblische Erbauungsstunden zu Herzogenaurach" eingerichtet. Sie wurden zwölfmal jährlich vornehmlich an katholischen Feiertagen abgehalten, und zwar „zur Hebung des konfessionellen Bewusstseins". Zu Ausschussmitgliedern der Protestanten gewählt wurden: Bierbrauer Hofmann (heutige Brauerei Heller), Gastwirt Zinner, Schmiedemeister Zehlein Schneidermeister Hüttinger und Metzgermeister Habermeier".
Ab 1900 wurden evangelische Christen nicht mehr in Münchaurach beerdigt, sondern auf dem städtischen Friedhof (heute „alter Friedhof" in der Erlanger Straße) nachdem sie zur Erweiterung des hiesigen Friedhofs und zum Bau der Leichenhalle beigesteuert hatten.
Bleiben zuletzt noch die Namen der Münchauracher Geistlichen nachzutragen, die auch für die hiesige Gemeinde wertvolle Arbeit verrichtete haben: Es waren die Pfarrer Martin Busch, Georg Wilhelm Seitz, Jakob Friedrich Schaur sowie die Dekane Johannes Andreas Saubert, Gustav August Sperl, Gustav Ferdinand Remshard, und Ludwig Anton Krauß.
Klaus-Peter Gäbelein