Herzogenaurach. Es war ein äußerst unruhiges Jahrhundert jenes 16., das Jahrhundert der Reformation. Nicht nur kirchliche Unruhen bescherte es in Deutschland und in den übrigen europäischen Staaten.
Es war auch das Jahrhundert der „kleinen Eiszeit“, die eine Klimaverschlechterung über Mitteleuropa gebracht hatte, verbunden mit zahlreichen Missernten und Hungersnöten. So kam in Südeutschland der Weinbau fast zum Erliegen. Einmal mehr wütete die Pest im deutschen Sprachraum und dazu hatten die europäischen Seefahrer aus Übersee und aus Indien Krankheiten eingeschleppt, die man bisher nicht gekannt hatte, so auch gänzlich unbekannte Erkältungskrankheiten gegen welche die Bevölkerung nicht immun war. Lepra und Cholera, aber auch die „Französische Krankheit“ (Syphilis) raffte die Menschen dahin. Als eine Strafe Gottes wurden Epidemien bezeichnet, eine Strafe für den Ungehorsam der Christen, die vom alten Glauben abgefallen waren.
Dass Bauernkrieg (1525) und Markgrafenkrieg (ab 1552) die gebeutelte Bevölkerung zusätzlich belasteten, sei nur am Rande erwähnt. Waren die 608 Pesttoten im Jahr 1520 in der Pfarrei Herzogenaurach nicht ein deutliches Zeichen und eine gerechte Strafe für die fehlende Standhaftigkeit im Glauben?
In der Regierungszeit des Fürstbischofs Johann Phlipps von Gebsattel, von dem behauptet wurde, er bevorzuge die Lutheraner und „er sei im Innersten Protestant“ verweigerte ein Drittel der Seelsorgegeistlichen des Hochstifts den Gehoram. Adelige und bürgerliche Hofräte in der Umgebung des Bischofs neigten ebenso wie die Schullehrer dem Luthertum zu. Auch auf dem Land hielt die Abwanderung zum Protaestantismus an; ganze Gemeinden wechselten innerhalb weniger Jahre die Konfession.
Und in Herzogenaurach? Vielfach wird Klage darüber geführt, dass sich manche „neue“ (Neupriester) ihren Posten mit „silbernen Pechern“ erkaufen. Über Pfarrer Johann Tag der sich inzwischen lateinisch „Dies“ nannte, ergeht Klage, dass er ein nachlässiger und trunksüchtiger Mensch sei, „.....der gotteslästerlich fluche und Gewalttaten verübe. Er predige derart schlecht, dass zuweilen (nur) soviele Zuhörer wie Bänke in der Kirche seien. Bei einem Umgang ..mit dem Allerheiligsten sei er darart betrunken gewesen, dass der Schulmeister und mehrere Schüler ihn haben stützen müssen. Der Pfarrer habe ein „beyweib“, das von ihm ein Kind erwarte.
Von einem anderen Geistlichen heißt es , „.... dass der ietzige Pfarrer ...uff der kanzel unverstendlich sey.... und es ihm an Eifer in vortpflanzung christlich katholischer religion fehle.“ Er wurde abgesetzt, aber sein Nachfolger, der Salzburger Sebastian Gloß war um keinen Deut besser. Der Vorwurf gegen ihn lautete: die Gäubigen schwätzen in seinen Gottesdiensten, laufen vorzeitig aus der Kirche, er missachte den gregorianischen Kalender , einige Frauen seien noch evangelisch und alle nachlässig im Kirchenbesuch.
1591 resignierte der verheiratete Pfarrer Johann Bürr (auch Dürr genannt) nach längerem Prozess und quittierte den Dienst. 1593 verbot ein Herzogenauracher Ratserlass die Aufnahme von Lutheranern in den Rat. Und dennoch: ein Jahr später bezeichnete ein Visitationsprotokoll den Großteil der hiesigen Bevölkerung als „oboedientes“, also als „ungehorsame Menschen“, die „den Bamberger Erlass“ (Vorschriften aus Bamberg) nicht befolgten; auch der Kastner (Amtmann) zählte zu diesen Ungehorsamen.
Dass es aber auch einen Pfarrer gegeben hat, der seine Aufgaben ernst genommen hat, erfahren unsere Leser in der nächsten und letzten Folge.
Klaus-Peter Gäbelein