Herzogenaurach. Endlich war der Krieg zu Ende. Trotz aller Entbehrungen und Not, trotz aller Strapazen und Einschränkungen, - langsam begann das „normale“ Leben wieder einzukehren. Nicht nur in der Kleinstadt Herzogenaurach mit ca. 5000 Einheimischen und inzwischen über 2500 Heimatvertriebenen und Flüchtlingen.
Die wirtschaftliche Not beschäftigt in erster Linie die Hausfrauen, die sich bemühten, die hungrigen Mäuler zu stopfen. Und in vielen Familien war die Freude groß über heimkehrende Soldaten.
Versetzen wir uns in die Lage der heranwachsenden Jugend: Zusammenkünfte bei der Hitlerjugend (HJ) oder dem BDM (Bund deutscher Mädels) gab es künftig nicht mehr, Kinder und Jugendliche soweit sie noch nicht im Berufsleben standen halfen zu Hause oder in der Landwirtschaft so gut sie konnten,( wenn auch nicht immer froh gestimmt). Fernsehen kannte man nicht, das Musikprogramm wenn überhaupt ein Rundfunkempfänger zu Hause stand, versorgte in erster Linie die Erwachsenen. Was blieb da für die Heranwachsenden als Freizeitausgleich?
Vor allem die Buben waren das etwas lockerer. Man bestaunte die US-Panzer in der Hauptstraße, die durch die Stadt ratterten und amüsierte sich, wenn ein US-Koloss an einem der Stadttürme anschrammte. Ganz Forsche versuchten sich auch in der englischen Sprache und rief den Soldaten anstelle des Begriffs „KAUGUMMI“ schon mal die Wörter zu, die so ähnlich klangen wie „chewing gum“. Und wenn dann so ein Päckchen von den Soldaten in die Menge geworfen wurde, dann balgte man sich um die dünnen, süßen und nach Pfefferminz schmeckenden Streifen. Die Jüngeren mussten erst angeleitet werden, was man mit diesen Streifen anfangen konnte. So gab es dann von einem der Älteren den wohlgemeinten Rat für seinen jüngeren Begleiter. „Des muss mer kaia“ (hochdeutsch : das muss man kauen!. Und der Kleine hatte soviel Spaß an der Geschichte, dass er fortan Kaugummistreifen an die anderen verteilte mit dem Hinweis: „Des muss mer fei kaia!“ Fortan war und blieb der Junge der „Kai(y)a. Bis heute trägt der „Kai(y)a“ seinen Spitznamen in Herzogenaurach, er war und blieb der „Kai(y)a“ und in Sportlerkreisen ein geschätzter Torhüter – auch in höheren Klassen.
Genauso beliebt waren bei den „teenies“ US-Zigaretten; man bettelte um eine „Camel“ oder eine „laggy schdreik“ (lucky strike), die man oft freudestrahlend für den Großvater oder den Onkel nach Hause brachte. Und da die US-boys die Angewohnheit hatten, die Zigaretten oftmals nach wenigen Zügen unters Volk zu werfen, balgten sich die Jugendlichen um die „Kippen“. Wenn man diese nicht selbst zu Ende paffte, so wanderten sie in die Blechdose, die man in der Hosentasche stets bei sich trug; zu Hause sammelte man den restlichen Tabak, der dann mittels eines dünnen Blättchen Papiers neu „gedreht“ und entweder selbst oder von einem Familiemitglied gequalmt wurde. Auf diese Weise kam auch der „Kippen-Willi“ zu seinem Spitznamen.
Herzogenauracher Hausfrauen stellten sich gerne in den Dienst der „besseren“ Amerikaner. Die „Herren Offiziere“ von den blendend weiß gewaschenen Hemden, von der Uniformhosen mit scharfen Bügelfalten. Sie dankten dies mit Gütern für den Alltag: Seife und Waschpulver (beides war damals rar ), mit Zigaretten oder auch einer Flasche Hochprozentigem (Whisky oder Gin waren in Franken bei den Durchschnittsbürgern noch unbekannt, noch dazu in den „riesigen“ half gallon“ Flaschen, - und überhaupt lernte man Dinge kennen, die für den deutschen Gaumen bis dahin unbekannt waren „Erdnüssla, gesalzen und herrlich knusprig geröstet“, salzige Plätzchen, die bei den Besatzern „cracker“ hießen, später kamen dann noch dünne geröstete Kartoffelschalen dazu, von den Amis als „chips“ und weitere leckere Sachen, die man bis dahin nicht und nicht mehr gekannt hatte, wie Schokolade und vieles mehr.
Und wie war das mit den „german frolleins“, den Mädchen? Dass die US-Soldaten (die GIs) einem (hübschen) Mädchen hinterher pfiffen, war an der Tagesordnung. Manche Maid lernte in jener Zeit die Begriffe „kiss“ und „love“. Aber noch eindrucksvoller oder auch amüsanter war ein paar Wochen später ein deutsch-englisches Wörterbuch, in dem die Frage „Möchtest Du mit mir spazieren gehen“ folgendermaßen übersetzt wurde „Do you want to go with me into the woods“? (Magst Du mit mir in den Wald gehen?) Nur ein Schuft ist, wer Böses dabei denkt!
Viele Einheimische äußerten sich abfällig über jene „Frolleins“ , die sich mit US-Soldaten einließen, noch dazu mit Farbigen, die wie eine ältere Dame allerdings anmerkte „Su scheena weißa Zeh“ (herrlich weiße Zähne hatten) und „nu derzu inna hella Händ“ (helle oder fast weiße Handflächen) hatten.
Amerikanische „Trucks“ holten die „Frolleins“ zum Tanz ab
Die Mehrzahl der Herzogenauracher , vor allem die Damenwelt, schaute häufig verächtlich auf die „jungen Dinger, die sich bisweilen den Amis an den Hals warfen“. Dass man diese „Damen“ teils verächtlich in der Stadt mit wenig schmeichelhaften Ausdrücken versah, ist bekannt: von „Lüschla“ bis Lusch (eine Lusche ist eine Spielkarte, die nichts wert ist oder auch eine Kuh, die nicht trägt), über Ami-Nutten oder fränkisch „a Pritschla“ reichten die wenig schmeichelhaften Bezeichnungen. Es ist auch vor gekommen, dass man eine junge Frau, die Kontakt zu US-Soldaten hatte, einmal nächtens fasste und ihr die langen Haare abschnitt um sie zu demütigen.
Nach einigen Monaten wurde das Verhältnis zwischen den US Soldaten und den deutschen Mädchen „normaler.“ Auf dem Kasernengelände gab es bereits im ersten Nachkriegsjahr an Samstagabenden Tanzveranstaltungen für Soldaten mit deutschen Mädels/Frauen.