Besuche in der DDR
Herzogenaurach (gä) Wie war das Verhältnis der Herzogenauracher zu den „Brüdern und Schwestern" im Osten? Diese Frage stellte Herbert Dummer beim Gesprächskreis des Heimatvereins, als es darum ging, die Geschichte der Bundesrepublik anlässlich ihres „60. Geburtstages" aufzuarbeiten.
In den „satten Jahren" des Wirtschaftswunders wurden die Bürger in der DDR wehleidig bemitleidet. Man registrierte, wie lange „die im Osten" auf einen Kühlschrank, ein Fernsehgerät oder gar einen Trabi warten mussten. Man nahm zur Kenntnis, dass diese sich nach „Trumpf Dubletten" (Schokolade), nach Nylonstrümpfen von „nur die" oder nach „zweifarbiger Zahnpasta" (Signal)
sehnten, weil sie diese Produkte nur aus der westdeutschen Fernsehwerbung kannten, die sie verbotenerweise im Ostfernsehen verfolgten.
Fast überall in der „Zone", so erfuhr man von Verwandten, waren die Fernsehantennen so ausgerichtet, dass man ARD oder ZDF empfangen konnte. Lediglich im Raum Dresden, im „Tal der Ahnungslosen", war der Empfang fast unmöglich, so dass sich manche Sachsen im Norden der Republik um eine „Datscha" bemühten, also um ein Gartengrundstück oder Wochenendhäuschen, in dem man den von der SED geschmähten Westsender empfangen konnte.
Andererseits konnte man bis in den Raum Bamberg auch das Ostfernsehen empfangen und schüttelte den Kopf oftmals über die „Lügensendungen" des Karl Eduard von Schnitzler in seinem „Schwarzen Kanal".
Auffällig war dabei, dass im Ostfernsehen ein anderes Vokabular verwendet worden ist und dass Begriffe gebraucht worden sind, die man im fränkischen Westen kaum oder gar nicht kannte: Da war die Rede vom „Schiedsrichter- Kollektiv" bei Fußballübertragungen, von LPGs oder von der NVA (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften; Nationale Volksarmee).
Gisela H. , seit vielen Jahren im Mitglied im hiesigen Heimatverein und im Raum Coburg aufgewachsen, erlebte hautnah, wie nach dem Volksaufstand von 1953 die Grenzanlagen immer dichter wurden, wie der Stacheldrahtzaun einem engen Drahtzaun weichen musste, ein zehn Meter Streifen gepflügt wurde, wie Wachtürme und Selbstschussanlagen entstanden, um „Republikflüchtigen" den unerlaubten Grenzübertritt zu verwehren.
Man freute sich im Fränkischen wie allüberall über einen zusätzlichen Feiertag am 17. Juni, dem Tag des Volksaufstands, und man genoss den schul- oder arbeitsfreien Feiertag. Die öffentlichen politischen Kundgebungen zum „Tag der deutschen Einheit" wurden kaum besucht - denn an eine Wiedervereinigung während des „Kalten Krieges" glaubten trotz erleichterter Einreisebestimmungen seit der Ära Brandt die Wenigsten.
Vielmehr waren den wenigen Herzogenaurachern, welche die DDR besuchten, der Zwangsumtausch an der Grenze und die Schikanen bei der Ein- und Ausreise in bester Erinnerung. Selbst auf der Transitstrecke nach West-Berlin mussten Bundesbürger die Willkür der DDR-Grenzsoldaten ertragen. Mehr als zwei Stunden wurde beispielsweise die AH-Fußballmannschaft des 1. FC bei der Ausreise aus der Hauptstadt am Kontrollpunkt auf die Weiterfahrt warten, weil ein Ehepaar im Bus die Plätze getauscht hatte und somit die fein säuberlich ausgefüllte Sitzliste nicht mehr stimmte.
„Ab Bayreuth bekam ich stets ein flaues Gefühl im Magen, wenn wir zu Verwandten in den Raum Magdeburg fuhren", so Gundi M. Die Kontrollen und Schikanen am Einreise- und Kontrollpunkt Hirschberg bei Hof waren für die Herzogenauracherin stets ein Alptraum. „Du konntest das Formular bezüglich der mitgeführten Waren noch so gut ausgefüllt haben, die DDR-Grenzer fanden fast immer ein Haar in der Suppe und wenn das mitgeführte Geld im Geldbeutel mit der Angabe am Formblatt nicht übereinstimmte, dann war das ein weiterer Grund eine längere Wartezeit auf sich nehmen zu müssen.", so Frau M. Und dass man die Autobahn nicht einmal zum Austreten an irgendeinem Parkplatz verlassen durfte, sondern nur an den vorgeschriebenen überfüllten und ungastlichen Raststätten verstärkte den negativen Eindruck vom anderen Teil Deutschlands noch.
gä