Trotz des Mauerbaus am 13. August 1961 glaubten damals noch 46% der Westdeutschen an eine Wiedervereinigung. Dass diese knapp 30 Jahre später Gewissheit werden sollte, konnte damals niemand ahnen. Im Vordergrund der Erinnerungen standen Probleme bei Reisen in die DDR und Schwierigkeiten bei Aufenthalten im östlichen Teil Deutschlands.
Im Sprachgebrauch und im Schulunterricht sprach man vom östlichen Teil Deutschlands entweder von der Ostzone oder von der SBZ, der sowjetisch besetzten Zone oder um mit Konrad Adenauer zu sprechen von der „Sowjetzone". Der Begriff „DDR" wurde den Bundesdeutschen erst so richtig bewusst, als die Fußballer um Franz Beckenbauer bei der Weltmeisterschaft 1974 eine herbe Schlappe einstecken mussten.
Was wusste man von den „Brüdern und Schwestern im Osten" in den 50-er und 60-er Jahren? Wenige Herzogenauracher hatten den Osten kennen gelernt. Zu ihnen gehörten die Fußballer vom ASV und vom FC. Anlässlich von Freundschaftsspielen weilten sie im Osten. Hans Heinrich Weber, Ikone beim ASV, wurde wegen Devisenschmuggels verhaftet und festgehalten, weil er Westgeld mit in den anderen Teil Deutschlands schmuggeln wollte und die ein Imkerverein aus der Region sollte über 100 Kilometer von seinem Zielort übernachten, weil man den Eingereisten angeblich kein geeignetes Quartier zuweisen konnte oder wollte, so Peter B. aus Hammerbach". Da die Grenzkontrollen vor dem Mauerbau noch nicht so „scharf" waren, reisten im Gefolge der Herzogenauracher Fußballer auch einige ostdeutsche Sportfreunde mit nach Herzogenaurach; hier fanden sie eine neue Heimat.
Hilde T. weilte 1955 zu einer Hochzeit in Ostdeutschland. Es war eine lustige Feier und sie fand ihren Höhepunkt, als ein Politfunktionär zur Trompete driff und flotte Musik bot. „Schau neer, wie des Kommunistla aufschbilln kann", hat sie damals zu ihrem Mann gesagt. Und noch gut in Erinnerung ist ihr das Geschenk der Gastgeber, das man ihr nach Herzogenaurach mit auf den Weg gab: Ein Korb voller Kirschen.
Die wenigen Herzogenauracher, die verwandtschaftliche Beziehungen nach „drüben" hatten, schickten fleißig Päckchen, vor allem zur Weihnachtszeit. Bohnenkaffee, Schokolade, Seife, Strumpfhosen, Zahnpasta, für die Hiesigen Selbstverständlichkeiten, für die Bürger drüben Kostbarkeiten - unvorstellbar in einer Zeit, da das Wirtschaftswunder im Westen höchste Blüten erreicht hatte. Von den Paketempfängern musste man immer wieder vernehmen, dass manches Päckchen geöffnet worden war und dass Geschenke bei der Grenzkontrolle neue Liebhaber fanden und entnommen worden sind. Da man wusste, wie begehrt die Westmark im anderen Teil Deutschlands war, hat man sogar DM-Scheine in Wurstdosen einschweißen lassen mit dem Erfolg, dass diese Dosen beim Empfänger nicht angekommen sind. Bei den Grenzkontrollen hatte man längst Methoden zur Durchleuchtung entwickelt.
Erstaunlich, fast sensationell für alle Westbesucher waren die Preise in der DDR. Im Dienstleistungsgewerbe, zum Beispiel beim Damenfriseur, bezahlte man nur einen geringen Betrag für eine Dauerwelle im Vergleich zum Westen.
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