„Heit wern Blädsli baggen!“
Herzogenaurach. Wieder einmal unternahm der Heimatverein einen Ausflug in die Vergangenheit. Im Rahmen des Gesprächskreises „So war es früher“ ließ man die Adventszeit revue passieren, wie man sie vor allem in der Nachkriegszeit erlebt hatte.
Unter der Gesprächsführung von Herbert Dummer ging es dabei um das Plätzchen backen, um den Schmuck der Wohnstuben und um Geschenke in einer Zeit, als man noch keine Lebkuchen, Schokoladen Nikoläuse ab August in den Tante Emma Läden oder auf den Ladentischen fand.
Dem christlichen Jahreskreislauf entsprechend, stand die Frage im Raum: Gab es ein Brauchtum ab dem Martinstag auch im katholischen Lebenskreislauf, konkret: gab es Geschenke zum „Pelzmärtel“? Im Zuge der Reformation war Luthers Vorname, also Martin (11. November), zum Gabenbringer analog zum katholischen Nikolaus avanciert. Im Mittelfränkischen war das ganz schlicht und einfach der „Märtel“ und der kalten Jahreszeit im November entsprechend wurde er zum „Pelz-Märtel“, den man nur zu gerne auch im Katholischen zum Überbringer von Gaben (Backwaren, Äpfeln, Nüssen) machte. Und so beschenkte man die Kinder mit süßem Gebäck, insbesonders den Lebkuchen, die hauptsächlich in Nürnberg und Umgebung seit dem Mittelalter angeboten wurden.
Generell wurden in der Vorweihnachtszeit in den Haushaltungen „Plätzli“ (Bläddsli) gebacken. Da gab es das beliebte Spritzgebäck, daneben ausgestochene Plätzchen, manchmal mit Zuckerguss oder mit bunten Streuseln verziert, Anisplätzchen, Ulmer Brot, Spitzbuben, Vanillekipferl, Haferflockenplätzchen und auf Obladen gebackene Kokos- oder Nussmakronen. Beim Spritzgebäck und überhaupt beim Plätzchenbacken durften oft die Kinder mithelfen. Herzen, Mond und Sterne wurden mit viel Liebe ausgestochen und bunt bestreut. Die „Spitzbuben“ wurden mit Marmelade zusammengeklebt, wobei die rote Johannisbeer Marmelade für ein buntes Bild sorgte.
Beim Backen von Spritzgebäck durften die Kleinen den „Fleischwolf“ bedienen („aber immer schön gleichmäßig drehen“, lautete die Devise), aus dessen Aufsatz runde oder flache Rohware quoll, die dann geformt und aufs Backblech gelegt wurde. Als „Belohnung“ bekamen die Kleinen die leicht verbrannnten Plätzchen oder den Bruch, der nicht für die Weihnachtsteller geeignet war. Bis zum Weihnachtsfest wurden die Plätzchen dann in großen Dosen, bisweilen auch in (gut verschnürten !) Kartons bis zu den Feiertagen aufbewahrt.
Für die Kleinen waren die Backnachmittage oder -abende stets ein besonderes Ereignis. Mit Feuereifer waren sie dabei, so auch beim Schälen von Mandeln. Wenn die Mandeln gebrüht worden waren, ließen sich die dünnen braunen Schalen einfach abschälen, genauer gesagt „man schnalzte“ sie ab, und konnte so gezielt auf seinen Gegenüber schießen – natürlich zum Leidwesen von Mutter oder Großmutter.
Die gehackten Mandeln oder die geschroteten Haselnüsse wurden wie auch fein gehacktes Zitronat und Orangeat beim Backen von Stollen benötigt. Vom einfachen Hefestollen bis hin zum feineren Quarkstollen hatte wohl jede Hausfrau ihr eigenes Rezept. Bei Besuchen zwischen den Feiertagen hieß es in der Regel immer: „Mögt ihr mein Stollen und mei Bläddsli probiern?“ Und dann wurde gekostet und gelobt, (auch wenn die Mutter hinter verstohlener Hand feststellte: „Mei Schdolln senn fei besser!“); es wurden Rezepte ausgetauscht und Backgeheimnisse teilweise verraten.
Die Stollen oftmals nicht im eigenen Herd zu Hause gebacken (wegen der gleichbleibenden Hitze), sondern bei einem der ansässigen Bäcker: beim Mausers Beck in der Haupstraße, beim Buchers Beck in der Hinteren Gasse, beim Lang, Neudecker, Römmelt, beim Bauern Beck in der Bahnhofstraße oder beim Kerns Paul in der Flughafenstraße. Die eingebackenen Fähnchen aus Pergamentpapier mit dem Familiennamen garantierten der Hausfrau, dass tatsächlich ihr eigener Teig verbacken worden war.
In der Vorweihnachtszeit wurde zu Hause auch gebastelt, gestrickt und gehäkelt.
Wenn aus dem Grundig-Radio in der Küche die Volksmusiksendungen erklangen oder wenn Fred Rauch am Mittwoch im Bayerischen Rundfunk Hörerwünsche erfüllte, häkelte die Mutter Puppenkleidchen für die Jüngste, Oma strickte für den Enkel einen Pullover aus aufgetrennter Wolle einer Weste des Vaters, Opa sägte am Küchentisch mit einer Laubsäge Teile für Möbel der Puppenküche – sehr zum Leidwesen der Hausfrauen: „Hoffentlich sägt er nedd wieder in den Tisch!“
Es war halt noch eine beschauliche Zeit in den 50-er Jahren, als man noch Ruhe für sich und die Familie verspürte und wo nicht ein „Event“ nach dem anderen die Adventszeit zur unruhigsten Zeit des Jahres machte, sieht man vom Prickeln ab, das den Großvater erfasste, wenn er in der Dämmerung auszog, um (unerlaubter Weise) im Wald den Christbaum zu schlagen, den er sich im Sommer schon ausgesucht hatte gemäß dem Motto: „Im Wald gibt´s doch genug Baamer, warum soll ich do an kaafn!“
Klaus-Peter Gäbelein