Den „weißen Brasilianer" feierte die Nürnberger Presse nach einem internationalen Freundschaftsspiel in der Saison 1959/60 zwischen dem „Club" und dem brasilianischen Superverein, dem FC Santos, einen jungen Nachwuchsspieler im weinroten Trikot: den Herzogenauracher Stürmer Herbert (Nickl) Ammer. Beim 3 : 3 gegen die Ballzauberer aus Sao Paulo spielte sich der 20-jährige Supertechniker in die Herzen der Club Fans.
Herbert Ammer, in der Schürrstraße in der Herzogenauracher „Kalchgrubn" und schräg gegenüber der Firma PUMA aufgewachsen, war noch ein echter Straßenfußballer. Beim Fußballclub schnürte er dann die Fußballstiefel mit der Raubkatze, spielte in der „Schüler- der 2. Jugend- und in der 1. Jugendmannschaft", so lauteten die Mannschaftsbezeichnungen vor 50 Jahren. Schon mit 18 Jahren kickte er zusammen mit den alten Herzogenauracher Fußballhaudegen wie Fritz Nahr, Baptist Kaschenreuther, mit Manfred und Günter Grumann und Torhüter Hanika in der Bezirksligamannschaft des 1.FC.
Es waren die Jahre, da der glorreiche FC Nürnberg seine Fußballer aus den eigenen Reihen oder dem fränkischen Umland in den Zabo lockte. Und so wurden die Nürnberger Späher aufmerksam auf den hoch aufgeschossenen Schlacks aus Herzogenaurach, der mit dem Ball zaubern konnte wie kaum ein anderer. In der Saison 1959/60 wechselte der „Nickl", den Spitznamen hatte er von seinem Vater „geerbt", in die Noris. Hier hatte Trainer Herbert Widmayer um den Weltmeister und Senior Max Morlock eine spielstarke Mannschaft geformt, die 1961 souverän den Meistertitel an die Pegnitz geholt hat (3 : 0 gegen Borussia Dortmund). Neben den Fußballgrößen wie Flachenecker, Ucko, Derbfuß, Hilpert oder Strehl und Wenauer spielte der junge Herzogenauracher allerdings nur sechsmal in der Stammformation.
Er wechselte für zwei Jahre zum Augsburger Traditionsverein, dem BC Augsburg, der sich damals mit den Schwaben aus Augsburg den Münchner Löwen, mit dem FC Schweinfurt o5, Eintracht Frankfurt und den Offenbacher Kickers heiße Duelle lieferte. Kein anderer, als der spätere Italien-Legionär und spätere Nationalstürmer Helmut Haller bildete er hier ein torgefährliches Sturmduo. Nach dem Weggang Hallers wechselte er 1963 in die Regionalliga Süd, und zwar zum württembergische Traditionsclub, dem SSV Reutlingen. Der Wechsel erfolgte im Tausch mit dem Augsburger Nationalstürmer Uli Biesinger, dem im Reutlinger Kreuzeiche Stadion am Fuß der Achalm der Durchbruch nicht gelungen war.
Fast 300 Mal trug der in den folgenden Jahren das rote Reutlinger Trikot und sogar mit knapp 40 Jahren half er noch einige Male in der Halbprofitruppe aus, als der damalige Trainer Herbert Wenz (später mit Bayern Hof in den Aufstiegsspielen zur Bundesliga knapp gescheitert). Spielermangel zu beklagen hatte. An seinem 70. Geburtstag äußerte sich Herbert Ammer (Jahrgang 1938) dem „Reutlinger Generalanzeiger" gegenüber wie folgt: „Ich hatte eine schöne Zeit in Reut7lingen und habe meinen Wechsel zum SSV nie bereut..." Und die lokale Presse bescheinigt dem „Edel-Techniker" nicht nur Torgefährlichkeit, sondern auch, dass er eine „der ganz großen Spielerpersönlichkeiten" des SSV o5 Reutlingen war.
Seine 58 Regionalliga Tore bedeuten heute noch Vereinsrekord beim SSV. Seine erfolgreichste Saison im 30 Kilometer nördlich von Stuttgart gelegenen Reutlingen erlebte Ammer in der Saison 191964/65 als er mit seiner Mannschaft denkbar knapp in der Bundesliga Aufstiegsrunde am späteren Bundesliga Meister, den Borussen aus Mönchengladbach scheiterte. „Die Borussen mit Heinckes, Wimmer und Laumen waren eine Tick stärker als wir", räumt der heute 72-Jährige sportlich fair ein.
Nach seinen schönsten Erinnerungen gefragt, gibt sich „Nickl" Ammer bescheiden wie er immer war. „Bei einem 5 : 2 Sieg in Fürth habe ich drei Tore selbst erzielt und die anderen beiden aufgelegt, und das vor den Toren meiner Heimatstadt Herzogenaurach". Und ebenso zufrieden war er bei einem 4 : 0 Erfolg bei seinem Ex-Verein in Augsburg, als er dreimal ins Netz der Schwaben getroffen traf.
Bei aller sportlichen Belastung ist Herbert Ammer immer einem Halbtagsberuf nachgegangen, denn vom Fußballspielen allein konnte man vor 35 Jahren nicht leben. Neben einem niedrigen Festgehalt, das vom DFB vorgeschrieben war, gab es lediglich Punkteprämien in Höhe von 100 - 160 DM. Und so ging er zusammen mit Ehefrau Traudi in der Reutlinger Firma Stoll einem Halbtagsjob nach.
Heute lebt der Herzogenauracher im Reutlinger Ortsteil Eningen, freut sich über drei Töchter und drei Enkelkinder und hat vom Fußball gehörigen Abstand genommen, seit ihm eine Hüftarthrose Schwierigkeiten bereitet. Im Fußballstadion erlebte er vor Jahren noch den heutigen HSV Trainer Armin Veh, der in Reutlingen seine Trainerkarriere begann. Und ganz, ganz selten besucht er noch die Verwandtschaft und die alten Club Kameraden vom FC.
Klaus-Peter Gäbelein