Von einem der auszog......!
Vorspann: Im Frühjahr 2017 erhielt der Heimatverein Herzogenaurach eine Nachricht einer Bank mit dem Hinweis, dass auf das Konto des Vereins von einem namentlich bekannten Spender aus den USA eine Zuwendung mit einem vierstelligen Betrag eingegangen sei. Als großzügiger Gönner für den Heimatverein erwies sich ein gebürtiger Herzogenauracher, der Schreinermeister Bernard Westner.
Chattanooga/Herzogenaurach.Rund 150 Jahre sind es her, als es über 100 Herzogenauracher in die große weite Welt über den Ozean gezogen hat. In Amerika, dem damals sagenhaften Kontinent mit den unbegrenzten Möglichkeiten, wollten sie ihr Glück versuchen.
Viele von ihnen waren einfache Tagelöhner oder arbeitssuchende Weber, auch ledige Frauen mit Kindern, die der sozialen Not entrinnen wollten und in ihrer Heimatstadt die Stadtkasse belasteten, waren dabei und sie und alle versprachen sich neben dem Leben in absoluter Freiheit wirtschaftliche und soziale Verbesserung.
Anders Bernard Friedrich Westner! In wohlsituierten bürgerlichen Verhältnissen am Ende der Mühlgasse aufgewachsen, zog es ihn im Juni 1976 in das ferne Tennessee, - der Liebe wegen zu seiner Caroline. Sie, eine geborene Dickas, lebte mit Ihren Eltern bereits in den Staaten und dort hatte er sie bei einem Besuch bei Freunden kennengelernt. Und dort wurden die beiden im September 1976 ein Paar. Und alsbald wurde aus dem fränkischen Bernard (Bernard ohne „h“, wie er schon in der Volksschule immer sagen musste) ein amerikanischer „Bernie“, - und so wird er jenseits des großes Teichs auch heute noch genannt.
Im Gegensatz zu den Auswanderern des 19. Jahrhunderts war er kein arbeitsloser oder mittelloser Deutscher, keiner, der sich vor dem Militärdienst drücken wollte. Im Gegensatz: Bernard Westner leitete brav den Militärdienst in der Bundesrepublik ab und schied als Obergefreiter bei der Versorgungsstaffel Flugkörper Geschwader 1 in Landsberg/Lech im Mai 1976 aus.
Ab 1973 führten Westner, inzwischen mit amerikanischen GIs auf der hiesigen Herzobase befreundet und eine Liaison mit Caroline Dickas eingegangen, drei Reisen nach Tennessee zu den Eltern seiner Braut.
Fortan lebte Bernie Westner statt in der Mühlgasse im verschlafenen Herzogenaurach in der viertgrößten Stadt des Staates Tennessee, nämlich in Chattanooga nahe der Grenze zu Carolina. Chattanooga, das kannten die Deutschen lediglich von dem US-Musik Ohrwurm her, dem Chattanooga-Cha-Choo. Und hier im Herzen der Staaten und zusammen mit seiner Gemahlin, in die er nach seinen Aussagen nach 40 Jahren Ehe noch immer verliebt ist, baute er sich eine Existenz auf.
Gemäß der Devise: Großvater (Korbinan) Schreiner, Vater (Adam) Schreiner, hatte Bernhard nach dem Schulabschluss (in der Carl-Platz-Schule) eine Schreinerlehre absolviert, mit der Gesellenprüfung abgeschlossen und die Fachschulreife in Erlangen abgelegt. Vom Vater Adam, der beim Wiederaufbau im zerstörten Nürnberg nach 1949 wertvolle Arbeit leistete, hatte er das Talent und die Fähigkeit erlernt, mit Holz umzugehen. Zehn Jahre arbeitete er ab 1976 als Schreiner bei „Architectural Network“ in seiner neuen Heimtstadt. Schließlich machte er sich 1987 selbstständig und gründete mit vier Kameraden seine eigene Firma. Zunächst war es die „Southeast Millwork“ und nach deren Auflösung gründete er mit seinem Kompagnon Larry Leigh 1995 ein neues, eigenes Unternehmen mit der Fachbezeichnung „Architectural Surfaces“ (Architektonische Oberflächen).
Die Erfolge der neuen Firma sind bald sichtbar. Die Zahl der Mitarbeiter steigt, denn deutsche Wertarbeit ist gefragt und Bernie versteht sein Handwerk. Anfragen nach Innenausbau kommen fast täglich, 450 Aufträge sind es derzeit pro Jahr. Die Amerikaner entdecken einmal mehr dasdas handwerkliche Können aus „old germany“ . Heute ist Bernie Westners Unternehmen mit rund 55 Angestellten der Marktführer in Sachen Holzverarbeitung in Chattanooga, einer Stadt mit knapp 700 000 Einwohnern.
Und was macht den deutschen Newcomer so erfolgreich? „Wir sind Erfinder, Architekten, und Künstler zugleich, ohne großartige Diplome, aber wir arbeiten mit ganzem Herzen. Unsere Aufträge umfassen den Um- und Ausbau von Rathäusern, Kirchen, Hotels und sogar von Schulen. Der bisher größte Auftrag ist der Ausbau eines Hauses mit 2.000 Quadratmetern Fläche. 60 massive Zimmertüren, Wand- und Deckenverkleidungen aus altem Massivholz hat der sitzer gewünscht. Dazu kommen noch massive Nussbaumschränke, Wand- und Deckenverkleidungen sowie 6 km Abdeckleisten. Hierfür dienen alte Balken von Tannen, die 1890 gefällt worden sind und nun wieder aufpoliert werden. Ein verrückter Auftrag! Manche US-Amerikaner haben noch so viel Geld, dass sie nicht wissen, was sie damit anfangen sollen“, soweit Bernie Westner,
Er selbst wohnt in einem schmucken Haus in Chattanooga und besitzt - fast schon standesgemäß für einen Geschäftsmann in den USA auch ein Ferienhaus in Florida. „Wir hoffen, das von dem nach dem fürchterlichen Wirbelsturm noch etwas übrig geblieben ist“, soweit der Herzogenauracher Holzexperte.
Und wie steht es um die Sehnsucht nach der alten Heimat? „Wenn es möglich ist und das Geschäft es zulässt, kommen wir jedes Jahr nach Franken, wenn möglich zur Sommerkirchweih“ oder in der Vorweihnachtszeit, soweit Bernard Westner. Hier trifft er dann ehemalige Schulkameraden und Weggefährten aus seiner Jugend (den Tuba-Peter Peter Persin oder den ehemaligen Vorstand des FC Herzogenaurach, Kurt Zollhöfer) nicht zu vergessen die zahlreichen Verwandten, die noch an der Aurach leben und wohnen: die Familien Klinger, Lang und den ein oder anderen Dickas aus der Namenssippe seiner Frau. „Großes Hallo gab es vor einigen Jahren, als ich anlässlich meiner Goldenen Kommunion in Herzogenaurach war“, erinnert sich der erfolgreiche Auswanderer. Aber ebenso freut er sich über Besuche aus „Old Germany“, wenn bespielsweise der Sohn von Altbürgermeister Hans Lang mit seiner Frau zu Gast in Tennessee ist.
Gibt es für den erfolgreichen Geschäftsman auch ein Leben außerhalb von Holz und Hobelspänen? „Zusammen mit meiner Frau Caroline fahre mit unserem Boot gerne hinaus auf den Tennessee-River zum Fischen; aber meine große Schwäche ist das Sammeln von bronzezeitlichen Klingen, Pfeilspitzen, Äxten und Kurzschwertern und als alternder reitender Cowboy bin ich ein Fan von alten Schusswaffen.“ Und was Bernie Westner ein wenig schamhaft verschweigt ist die Tatsache, dass er auch in der Ahnenforschung aktiv ist. Hier hat es ihm vor allem die Geschichte der Vorfahren von Ehefrau Caroline angetan, die Familiengeschichte der „Dickas“.
Wert legt Bernie auf die Tatsache, dass er immer noch deutscher Staatsbürger ist, während Sohn Chris und die Töchter Jennifer und Stephie (beide sind Lehrerinnen) die deutsche und die US-Staatsbürgerschaft besitzen.
Die Lebensgeschichte von Bernard Westner ein Märchen? Nein, es ist die Geschichte eines deutschen Auswanderers, der es mit Fleiß, Geschick und Geschäftssinn zu Wohlstand und Ansehen in der Neuen Welt gebracht hat.
Klaus-Peter Gäbelein