Herzogenaurach. Auf reges Interesse stieß die Stadtführung des Heimatvereins, die im Rahmen des Aktionstags „Nach Strich und Faden“ unter dem Aspekt „Die Tuchmacherei in Herzogenaurach“ angeboten worden war.
Von Webern und Tuchmachern, vom Rahmberg und dem Wiwa-Weiher , vom Transport der Herzogenauracher Produkte an die Hauptabnehmer in Nürnberg und Fürth erfuhren die Teilnehmer. Und manche der teilnehmenden Damen bekamen eine Haube aufgesetzt, denn sie kamen nach alter Überlieferung „unter die Haube“, mussten ihr langes Haar abschneiden oder hochbinden und unter die Haube stecken, denn mit der Eheschließung hatten sie ihre Freiheit verloren und sich unter die Obhut des Mannes, des Hausvaters zu stellen. Über die knielangen und im Schritt offenen „Desous“ soll hier nicht weiter berichtet werden – sie erregten allgemeines Interesse und vor allem Heiterkeit. (Fotos!)
Anhand von Stoffresten konnte man die Unterschiede von Herzogenauracher Flanell, Loden oder Leinen „erfassen“ und erfühlen und mittels einer Hechel wurde demonstriert, wie früher der Flachs „gehechelt“, also ausgekämmt und zum Verspinnen zubereitet wurde.
Dass der Flachsanbau und daraus entstanden die Leinenweberei in Franken eine große Rolle spielte, ist heute noch in der Redensart „einen Gang/eine Fahrt ins Blaue machen“ bekannt, weil man sich früher bei einem Gang in die blau blühenden Flachsfelder an der Blütenpracht ergötzen konnte.
Dass „der Lein“, also die ausgeblühte Flachspflanze zusätzlich mit dem Leinsamen als „Nahrungsergänzungs- und Abführmittel“ und die ausgepressten Samen als Leinöl in den Handel kamen, war eine weitere neue Erkenntnis auf dem Rundgang mit dem Vorsitzenden des Heimatvereins. Leinöl wurde als Öl beim Kochen und Backen verwendet, zusammen mit Kartoffeln und Quark war es eine beliebte Speise an den fleichlosen Freitagen und wenn es älter und abgestanden war, diente es immer noch als Lampenöl oder fütterte den „Ölgötzen“, die spärliche Beleuchtung an den Wänden, die mit einem Lampenschirm mit Fratzengesicht ein wenig Licht in den kleinen düsteren Stuben spendete.
Dass der Transport von Tuchen in die Noris kein Zuckerschlecken war, konnte jeder Teilnehmer nachvollziehen, schließlich galt es, die knapp 30 Kilometer mit dem hölzernen Schubkarren oder mittels eines hölzernen Gestells ,eines „Reefs“, zu bewältigen. Verständlich wurde somit auch die Bedeutung der fränkischen Bezeichnung „su a alts Reef“ gegenüber einer wenig geliebten Frauensperson.
Weitere Stationen des Rundgangs waren neben der Tuchmachergasse die älteste Herzogenauracher „Fabrik“, die „Königlich Bayerische Hofweberei Wirth und Söhne“ an der Schütt mit ihrem markanten Schornstein sowie der Rahmberg samt dem „Weberweiher“ (Wiwaweiher). Dabei kam natürlich auch das Gespräch auf das Herzogenauracher Original, den „Rahmbergbürgermeister Sepp Bitter“, der die hiesige Geschichte mit manchen Anekdoten bereichert hat.
Klaus-Peter Gäbelein