Vom Tod von Forchheim und dem Nürnberger Trichter
Herzogenaurach. Zum 5. Mal in Herzogenaurach und stets vor großem Publikum – nur wenige Referenten können für sich in Anspruch nehmen, immer „ein volles Haus“ zu haben. Dem Bamberger Sprachforscher Dr. Rolf-Bernhard Essig gelingt es immer wieder zusammen mit Herzogenaurachs Star-Pianisten Thomas Fink, die Zuhörer, Patienten der Fachklinik, Gäste und sehr viele Mitglieder des Heimatvereins zu begeistern und in seinen Bann zu ziehen. Und so war denn jüngste Veranstaltung in der Fachklinik bis auf den letzten Platz gefüllt.
Am Donnerstag hat er seine Zuhörer trotz des ungemütlichen Wetters nicht „wie die Kuh aufs (Glatt)Eis geführt“, sondern ein weiteres Mal unterhalten und aufgeklärt. Letzteres geschieht bei dem Autor zahlreicher unterhaltsamer Bücher aus dem Bereich der Volks- und Sprachkunde niemals auf schulmeisternde Art, sondern immer locker, flott und amüsant. Normalerweise erklärt Essig „warum die Leberwurst beleidigt ist“ oder „wie der Hase läuft“. Diesmal hatten es ihm deutsche Ortsnamen, aber auch internationale Großstädte und einzelne Länder angetan, die in die Sprachkunde bzw. Literaturgeschichte Eingang fanden und Thomas Fink fand dazu immer die richtigen musikalischen Titel und die passenden Töne. Von der „Berliner Luft“, die gar nicht immer so rein ist, über die „Kreuzberger Nächte“, die recht lang sind oder dem „Koffer in Berlin“: beide Interpreten verstanden es bestens, Ihr Publikum unterhaltsam einzubinden.
Der lokale Bezug fehlte selbstverständlich nicht. Beispiele gefällig? Jeder Fußballfan weiß, was es bedeutet, wenn ein Clubfan “lieber Fünfter als Färther ist“ oder was es bedeutet, wenn ein Oberfranke von seiner Nachbarin zu sagen weiß: „die hat an Oäsch (so groß) wie halb Bamberg!“ Essig erklärte was es mit der Redewendung zu tun hat, wenn jemand aussieht wie der „Tod von Forchheim“. –Nachzulesen in seinem Buch von den Pappenheimern. Diese gingen in die Geschichte und in die Literatur in zweifacher Hinsicht ein: die Pappenheimer verrichteten im Mittelalter die niederen Arbeiten in der großen Reichsstadt Nürnberg. Sie entleerten die Latrinen und waren einst die „Dullnraamer“ (Abtritt-Entleerer). Aber vor allem als schlagkräftige und zuverlässige Kürassiere machten sich die Pappenheimer einen Namen. In Schillers Drama „Wallensteins Tod“ sagt Feldherr Albrecht von Wallenstein voller Anerkennung „daran erkenne ich meine Pappenheimer!“, als diese dem Feldherrn bei der Belagerung von Magdeburg zu Hilfe kamen.
Essigs Wort- und Redensarterklärungen beschränkten sich jedoch nicht nur auf deutsche Städte. Die Besucher erfuhren, was es mit der „französischen Krankheit“ (Geschlechtskrankheit) auf sich hat, die in Italien als „spanische Krankheit“ in die Geschichte eingegangen ist, warum man im 16. Jahrhundert sagte „das kommt mir spanisch vor“ (Kaiser Karl V. verstand keine Deutsch und sprach nur spanisch!) oder wieso die Fußballer vom FC Homburg vor rund 40 Jahren nicht mit der Trikotwerbung „LONDON“ auftreten durften (Kondommarke!).
Das Englische „my home ist my castle“, also das eigene Heim, in dem man sich sicher fühlt, kennt man, so Essig, in Ägypten in ähnlicher Form. Dort heißt es „in seinem Loch ist jeder sein Sultan!“ Und wie tiefsinnig ist die angelsächsische Redewendung “das quietschende Rad bekommt sein Fett ab!“ Wie doppelsinnig ist dabei die Redewendung „sein Fett abbekommen!“ und was kann man nicht alles mit einem quietschenden Rad bezeichnen? Und wie kam es zu einer der höchsten englischen Auszeichnungen, dem Hosenbandorden? Auch hierfür wusste Essig die treffende Erklärung, nämlich die Geschichte um den englischen Regenten Edward III., dessen Hofdame beim Tanz das Strunpfband verrutscht war.
Der Wissenschaftler Essig gab einen Einblick in die angelsächsische Seele. Warum sagt man wohl in Irland zu einem trunkenen Pub-Besucher “wenn du ein Schwein mit zwei Köpfen siehst, halt bloß dein Maul!“ und schließlich spricht eine alte irische Weisheit das aus, was jeder Ire weiß: „Was Butter und Whisky nicht heilen können, kann auch der Arzt nicht heilen!“ Und schließlich weiß jeder trinkfeste Ire, dass „irische Eier“ nicht anderes sind als blaue Augen, die man sich bei einer handfesten Schlägerei geholt hat. Dass auch Deutsche im Ausland ihr „Fett abbekommen“ beweist die Redensart in Venezuela „Nur Deutsche und Idioten gehen mittags spazieren!“ Und wenn in Mexiko ein Pärchen ganz eng miteinander tanzt so spricht man davon, dass sie ihre Gürtelschnallen polieren. In Island sagt man „Not lehrt die nackte Frau weben“, für die Russen ist eine Frau keine Balalaika, die man nach dem Spielen an die Wand hängt und in Tansania heißt es „nur der Häuptling singt schön“, wenn etwas behauptet wird.
Bei seinem Ausflug in fremde Länder landete Dr. Essig schließlich im Fußball verrückten Brasilien, wo sich seit dem 7:1 Debakel der Fußball-Nationalmannschaft im Spiel gegen Deutschland bei der vorletzten WM folgender Satz eingebürgert hat, wenn etwas misslingt heißt es „7:1 ist gar nichts!“.
Klaus-Peter Gäbelein