I. Adventszeit und „Plätzli backen"
Herzogenaurach. „Wie es früher war!" Mit diesem fast unerschöpflichen Thema beschäftigt sich der Heimatverein seit vielen Jahren. Der Gesprächskreis unter der Leitung von 3. Vorsitzenden Herbert Dummer, geht dabei den „Dingen auf den Grund" Und so wurden auch die Vorweihnachtszeit und das eigentliche Weihnachtsfest unter die Lupe genommen.
Dass das „Fest der Feste" früher anders begangen wurde als heute, darüber waren sich Gesprächsteilnehmer im klaren. Doch was war anders? „Es war halt alles viel ruhiger und weniger hektisch als heute. Es gab noch nicht den Rummel um die Geschenke und die Hetze wie heute in der Vorweihnachtszeit!", so der allgemeine Tenor.
So weit möglich besuchte man frühmorgens die „Rorate Ämter" in den nur von Kerzen beleuchteten Gotteshäusern. „Rorate" bedeutet „tauet". Das ist gleichzeitig der Beginn eines Kirchenliedes, in dem es heißt: „Tauet Himmel, den Gerechten ...." . Die Gottesdienste wurden zu Ehren der Gottesmutter Maria gefeiert. Nach den Ämtern gab es oftmals ein gutes Frühstück.
In den Wochen vor dem Fest wurde zu Hause gebacken und geputzt. „Die Plätzlisorten waren früher nedd so übbich wie heit!, soweit die Anwesenden. Vielfach trugen die Hausfrauen den „Plätzliteig" oder die mit Formen ausgestanzten Plätzchen in die kleinen Bäckereien, wie zum „Bauernbäck" (in der Bahnhofstraße, heute Pizzeria) oder zum „Mausersbäck" am Beginn der Hauptstraße (heute Cafe) neben der Gaststätte „Bayerischer Hof"´. Neben Herzen, Sternen, Engeln oder Halbmonden war auch das Spritzgebäck beliebt.
Am „Fleischwolf" gab es einen eigenen Aufsatz, durch den der Teig gedrückt wurde. Oft wurden Buchstaben geformt, wie S oder O und die wurden dann teilweise in eine flüssige Kakaomasse getaucht oder mit bunte Streuseln verziert. „Neben Butterplätzli (eine besondere Köstlichkeit) hots mastens aa nu Kokosmakrona gebn", erinnert man sich. Sehr beliebt waren auch „Spitzbuben". Es waren zwei oder sogar drei Plätzchen, die man mit Marmelade aufeinander geklebt hat. „Obber su wos wie Vanillehörnli hott´s früher nedd gebn!"
2. Weihnachten: früher
Vor rund 100 Jahren war der „Heilige Abend", also die Nacht vor dem Christtag, der Abend in der mit dem „Christläuten oder Christanschießen" (böllerschüsse) das Fest offizielle eröffnet wurde. Gaben und Geschenke gab es entweder nach dem nächtlichen Kirchgang oder erst am 1. Feiertag, so wie es heute in vielen Ländern und vor allem im Angelsächsischen noch üblich ist. Der römische Kaiser Theodosius hatte das Weihnachtsfest im Jahre 381 auf den 25. Dezember festgelegt.In Deutschland wurde es auf der Mainzer Synode (Kirchenversammlung) am Ende der Regierunsgzeit Karls des Großen (813) als „diu wihe naht" (die geweihte Nacht) verbindlich für den 25. und 26. Dezmeber festgelegt. Und gefeiert wurde damals wie heute mit Kirchgang und anschließendem guten Essen und Trinken. Eine Bischofssynode bestimmte 1310 Weihnachten zugleich zum Jahresanfang, bevor im Zeitalter der Reformation (16. Jh.) und endgültig ab 1776 der 1. Januar als Jahresbeginn festgelegt worden ist.
In Herzogenaurach und Umgebung stand der Heilige Abend ganz im Zeichen der Christmette. Sie begann im Regelfall um Mitternacht, manchmal auch schon eine halbe Stunde früher und dauerte - wie sich Zeitzeugen erzählen - „ewig lang". Zumindest hatten Kinder und Jugendliche dieses Gefühl. Man erinnert sich, dass es am Heiligen Abvend ab 20 Uhr nicht mehr erlaubt war, Plätzchen zu essen, weil man ja „lauter" - also nüchtern - zur Kommunion in der Mette , also zum Empfang der Hl. Kommunion gehen musste.
Von der Familie blieb meistens nur eine Person zu Hause: meist war es der Vater oder der Großvater. Er musste das Haus hüten und das Feuer im Ofen schüren, damit die Zurückkommenden eine warme Stube vorfanden. Nach der Mette wurde dann meist noch einmal zünftig Brotzeit gemacht. Und nicht selten wurde ein „Säusack" (roter Presssack) angeschnitten, denn vor Weihnachten, im November oder Dezember, war noch einmal geschlachtet worden.
3. Essen an Weihnachten
Was das Essen betrifft, so war man vor Jahrzehnten wesentlich bescheidener als
heute. Am Heiligen Abend gab es mittags meistens nur eine Kleinigkeit: eine Suppe, Erbsen oder Linsen. Am Abend wurden Bratwürste, gebraten oder als „blaue Zipfel, manchmal auch Wienerle aufgetragen. In den Familien, in denen es zu Weihnachten eine gebratene Gans gegeben hat, servierte die Hausfrau am Heiligen Abend selbstverständlich „Gänspfeffer" in einer schmackhaften Blutsoße versteht sich.
Und am Abend gab es keine festlichen Mahlzeiten wie heute, also keine üppigen Fleischgerichte, nicht Fondue oder Raclette und auch keinen gebackenen oder blauen Karpfen. Und am 1. Feiertag freute man sich auf die ( selbst gezüchtete) Gans oder über einen Stallhasen. Manchmal kam auch eine große Portion Salzfleisch auf den Tisch. „Auch wenn wir nicht reich waren, hungern mussten wir nie", so eine Gesprächsteilnehmerin beim Heimatverein.
4. Geschenke
Verständlicherweise waren Geschenke früher bei weitem nicht so üppig wie das heute der Fall ist. Die Eltern, Paten oder Großeltern haben viel selbst hergestellt und haben gebastelt. „Ich habe später erfahren, dass mein Großvater die großen hölzernen Eilzug-Wagen selbst ausgesägt, bemalt und mit beweglichen Rädern versehen hat. Auch die hölzernen Enten mit beweglichen Wackelköpfen hatte Opa selbst hergestellt." Und eine ältere Gesprächsteilnehmerin berichtet. „ Mir Kinner haben halt Äpfel, Nüss und Plätzli grichd und des, wos die Mutter oder Großmutter selber gschdriggd oder gnäht hodd: an Schörzer (eine Schürze) für die Madli, Handschuh, Schals oder wollna Mützn, gschdriggda Strümpf, Schlappen oder an Pullover, den die Mutter aus aufgetrennter Wolln gschdriggd hodd." Und eine Puppe mit neuen selbst genähten Kleidern, eine mit vom Großvater gebastelten Möbeln eingerichtete Puppenküche nebst Puppen- oder Stubenwagen war etwas Besonderes. Gleiches gilt für den Kaufladen, in dem nach dem Krieg kleine mit Puffreis gefüllt Werbekartönchen von Pfanni oder von Waschpulverfirmen in den Regalen standen.
Für die Kleinsten stand alle Jahre wieder ein „Wiegegaul" (Schaukelpferd)in der Stube, der sich über Generationen im Familienbesitz befand. Im 3. Reich wurde zu Weihnachten auch allerhand Militär- und Kriegsspielzeug geschenkt. Da konnte man den mit den in brauner Farbe bemalten SA-Soldaten „Krieg" spielen. Und dann waren da nach der Währungsreform (1948) noch die von den Firmen TRIX oder Märklin angebotenen Metallbaukästen, mit denen man sogar Autos bauen konnte.
In den 50-er Jahren kamen auch COSMOS-Kästen für jugendliche Forscher auf den Markt. Mit dem Chemie-Kasten konnte man sogar unsichtbare Tinte oder Bonbons herstellen, gemäß dem Motto der Lieferfirma: „Alles was im Hause ist, untersucht der Alchemist!"
5. Der Heilige Abend
Als Kind konnte man es kaum erwarten, wann das Christkind endlich kommen würde. Im Haus herrscht große Geschäftigkeit. Während die Hausfrau in der Küche werkelte, war der Vater in der Stube beschäftigt. Sie wurde zu Weihnachten ausnahmsweise für drei Tage geheizt. Wenn man verstohlen durchs Schlüsselloch spitzte, konnte man Vater an einem Tannenbaum werkeln sehen.
Des „Bamli", meistens „a Fichtn, hatten Großvater oder Vater aus dem Wald geholt. Von Baumdiebstahl konnte in den Nachkriegsjahren nicht die Rede sein, schließlich waren die Wälder um Herzogenaurach im Privatbesitz - und man war selbst in der Waldkorporation oder kannte jemanden, der Mitglied war.
Zimmerhohe Nordmanntannen oder Douglastannen waren vor oder nach dem Krieg noch nicht in Mode. Der Baum stand meist auf einem Tischchen
und war mit kleinen Glaskugeln oder selbst gebastelten Strohsternen behängt. Eine Rarität waren gläserne Vögel mit Schwänzen aus Glashaar, die von Glasbläsern aus Thüringen stammten und bisweilen auf dem Schwarzmarkt zu erhalten waren.
Außerdem waren die Bäume oft mit Lamettafäden behängt. Manchmal schmückte auch Engelshaar das Bäumchen. Beides, Engelshaar oder Lametta, wurden beim „Ableeren" des Baums fein säuberlich abgenommen, manchnal wurden die Fäden sogar gebügelt und fürs nächste Jahr aufbewahrt. Am Baum brannten selbstverständlich Wachskerzen, rote oder weiße und oben funkelte die „Christbaamspitz". Vor allem nach dem Krieg bürgerte es sich ein, den Baum mit allerlei Naschwerk zu behängen. Die Zuckerkringel und pappsüßen Kringel mussten in der Regel bis zum Abräumen des Baumes am Dreikönigstag hängen bleiben, erst dann durften die Kinder den Baum plündern.
Unter dem Baum stand immer des „Krippela": Keine großartigen Konstruktionen, keine fränkischen Fachwerkhäuser, alpenländische Viehställe oder morgenländische Häuser, sondern meist eine einfache Wurzel aus den heimischen Wäldern oder eine nachempfundene Grotte, die der Großvater aus einem alten Sack gebastelt hatte , den er in Leim getaucht und dann mit Sand und Glimmer bestreut hatte. Und zwischen den Festtagen durften die Kinder schon mal mit den Krippenfiguren spielen. Letztere waren oft selbst gebastelt und wurden - wenn nötig - nach den Feiertagen wieder repariert. Nach Dreikönig verschwanden die Krippe und mit ihr auch die Spielsachen, denn sie wurden für das nächste Jahr aufbewahrt. Das Christkind hatte alles wieder geholt und wenn die Kinder nicht artig waren oder stritten, konnte das sogar schon vor dem Epiphaniasfest der Fall sein.
Klaus-Peter Gäbelein