Schulanfang früher - In der Schultüte waren nur ein paar ÄpfelHerzogenaurach. Schulanfang 2013. Am vergangenen Donnerstag,12. September, welch krummes Datum, begann für Bayerns ABC-Schützen, wie man sie früher nannte, der sogenannte Ernst des Lebens. Mit Schulranzen, oft größer als die Erstklässler, und mit Schul- oder Zuckertüten bepackt, wie man sie einst vor allem in Thüringen und Sachsen bezeichnete, begleiteten Mütter und Väter, teils sogar Paten und Großeltern die Jüngsten auf dem ersten Schulgang
Beim Heimatverein erinnerten sich vor allem ältere Jahrgänge an ihren ersten Schultag und der war vor oder kurz nach dem 2. Weltkrieg am 1. September. „A su a Gscheiß wie heit, des hot´s bei uns frieher nedd gebn!", so war der allgemeine Tenor bei den Senioren. Da musste Gesprächskreisleiter Herbert Dummer die Gemüter beruhigen und auf geänderte Sitten und Bräuche verweisen.
Manche der Anwesenden beim Gesprächskreis des Heimatvereins „So war es früher!", vor und während des Krieges eingeschult, begannen ihre Schulzeit ohne die heute obligatorische Schultüte. „Es gab sie doch nicht!" oder „wir hatten doch nichts", so der Tenor und P.G., 1949 eingeschult, erinnert sich, dass in seiner dürftigen Schultüten jede Menge Zeitungspapier in der Spitze steckte. „Und darauf lagen ein paar Äpfel und Birnen und das war´s !"
„Aber wir waren froh und glücklich, dass wir einen Schulranzen aus Leder oder Lederersatz (Pappdeckel, lackiert als Lederersatz) hatten", so G.H. Und die „Oldys" erinnerten sich daran, dass die Buben in Franken andere Lederranzen hatten als die „Madli". „Die Schulranzen der Buben hatten immer zwei Schnallen, die der Mädchen immer nur eine oder einen Schnappverschluss in der Mitte. In der Schultasche steckte in einem Schoner aus Pappe die Schultafel und an der derselben hingen ein Schwämmchen und ein Tafellappen. Dieser war von der Großmutter oder Patin hübsch farbig gehäkelt worden und diente zum Trocknen der abgewischten Tafel.
Ein hölzerner Griffelkasten , in dem die Schiefergriffel ziemlich bruchsicher aufbewahrt worden waren, ein metallenes Schwammdöschen und ein hölzerner Lesekasten, in dem man einzelne Buchstaben zu Wörtern stecken konnte, vervollständigten den Inhalt, bevor das erste Lesebuch, von den amerikanischen Besatzern genehmigt, stolz nach Hause getragen werden konnte. „Meine erste Fibel" war auf den roten Einband gedruckt". Und im Innern lernten -Schützen, die Erstklässler, dass man mit kleinen und großen Reifen O, o, C, c, f, t, i,. n, m, , S, s), H) mit ebensolchen Spazierstöcken und mit Turnstangen sowie mit kleinen und großen Schlangen Wörter wie Susi oder Hans zusammensetzen oder schreiben und buchstabieren konnte. Auf der Rückseite der Schiefertafel konnte man malen, sogar mit hölzernen Stiften, die einen Ölkern besaßen und später wurden hier auch die ersten Rechenaufgaben erledigt.
Und es wurde natürlich Religion unterrichtet noch, und das Fach wurde wie der Unterricht selbst, in der Regel von strengen Klosterschwestern gehalten. Dass da vor und nach dem Unterricht ein Gebet gesprochen wurde, versteht sich von selbst.
Außerdem stand dann noch zweimal in der Woche Kirchenbesuch auf dem Plan: Auch die Kleinen mussten den Schulgottesdienst am Mittwoch oder das Engel -Amt am Donnerstag vor dem Unterricht besuchen.
Bis 1941 war der Schuljahrsbeginn nach den Osterfeiertagen, dann wurde er einheitlich im gesamten Reich auf den September verlegt. In Bayern wurde dieser Termin 1945 bis 1948 wieder rückgängig gemacht und dann endgültig auf den 1. September festgelegt. Und am 1. Schultag gab es selbstverständlich das obligatorische Foto mit Ranzen und Schultüte für die Großeltern und Paten. Viele Mütter (Einschulung war Sache der Mütter, denn die Männer arbeiteten tagsüber) gingen mit ihren A-B-C -Schützlingen zu Foto Fette (Ritzgasse) zu Foto Binkel (Badgasse) oder zum Hagens Jupp, der zwar kein großartiges Studio aufweisen konnte, aber gute und preiswerte Bilder vor der hellen Wand seines Hauses in der Gartenstraße schoss.
Streng nach Geschlechtern und Konfessionen getrennt, wurden Mädchen und Buben früher unterrichtet: die Buben im Knabenschulhaus in der Hauptstraße (gegenüber der heutigen Sparkasse), die Mädchen am Kirchenplatz. Vorübergehend waren auch Schulklassen im Schloss und in einer Baracke am Postplatz untergebracht, weil durch den Zuzug der zahlreichen Heimatvertriebenen und Flüchtlingen ab 1943 aus allen Nähten platzten. Groß war die Freude bei Politikern, Eltern, Lehrern und Schülern, als 1953 die Carl-Platz-Schule eingeweiht werden konnte.
Jetzt war es vorbei mit den großen abgewirtschafteten Schulbänken in denen immer vier Schüler Platz und Generationen ihre Spuren hinterlassen hatten, vorbei war es mit den geölten Fußböden im Klassenzimmer und auch die Lehrkräfte standen nicht mehr erhöht wie Götter auf einem Podest. Nicht vorbei aber war es mit dem Stock oder dem „spanischen Rohr" (Bambusstöckchen) mit dem es für „böse Buben Tatzen" auf die Finger oder fünf Hiebe (und mehr) auf den Hosenboden gab. Und auch Kopfnüsse, Ohr- und Haare ziehen war üblich und es wurden noch immer kräftige Ohrfeigen ausgeteilt; der unten genannte Autor durfte dabei vorher sogar die Brille abnehmen.
Erst in den 60er Jahren wurde in Bayern generell verboten, Schüler durch Prügel zu züchtigen. Was aber nicht bedeuten sollte, dass es nicht andere Strafen wie das Ecken Stehen, das vor die Türe Stellen oder das Knien vor der Klasse (sogar auf einem kantigen Holzscheit) als sichtbare Strafen gab. Und dass man schriftliche Strafarbeiten (heute heißt man das „Übungsarbeiten) anfertigen musste, bis „die Finger krachten", davon wissen heute noch Generationen ein Lied zu singen.
Klaus-Peter Gäbelein