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Herzogenaurach im 1. Weltkrieg

Es war anders als sonst. Als die Herzogenauracher am Sonntag, 2. August 1914, nach dem Kirchgang am Marktplatz standen und Bürgermeister Paul Hubmann ein Telegramm adressiert an „Stadtmagistrat Herzogenaurach“ verlas: „Kriegszustand durch allerhöchster Verordnung am 30. Juli verkündet. Kriegsministerium“ und am Rande des Schriftstücks stand zu lesen: Dieser Beschluss ist sofort ortsüblich bekannt zu geben. Verkehrsministerium.“ Und auf einem weiteren Telegramm war zu lesen: „Mobilmachung beschlossen erster Mobilmachungstag der 2. August 1914. Gleichzeitig ist für den Bezirk des II Armeekorps der Landsturm auszurufen.“

Von Kriegsbegeisterung wie andernorts war in der Aurachstadt nichts zu verspüren. Die Menschen auf dem Marktplatz schienen irgendwie unangenehm berührt – und wie sich herausstellen sollte, war das mulmige Gefühl berechtigt. Kaiser Wilhelm hatte großspurig verkündet, dass man die Gegner (Frankreich, England und Russland) „hinwegfegen“ werde – aber trotz aller militärischen Anfangserfolge auf den „Schlachtfeldern“ – welch grausames Wort – war nach der gescheiterten zweiten Flandernoffensive vom November 1914 mit 100 000 Gefallenen deutschen Soldaten an ein schnelles Kriegsende nicht zu denken. Und bereits nach wenigen Wochen waren in der Stadt die ersten Todesnachrichten über Gefallene eingetroffen. 114 Herzogenaurach verloren im 1. Weltkrieg ihr Leben

Auch die Zivilbevölkerung in Herzogenaurach und dem damaligen Landkreis Höchstadt bekam den Krieg zu spüren. Nicht nur, dass ein Großteil der wehrpflichtigen Männer bereits im Herbst 1914 zu den Waffen eilen musste, auch die Zivilbevölkerung erhielt Auflagen, vor allem solche, welche die Ernährung und den Verbrauch von Brennstoffen betraf. Seit dem Kriegsjahr 1916 wurden die Versorgungsengpässe immer gravierender. Handel und Wirtschaft wurden mehr und mehr eingeschränkt. Gleiches galt für Luxusgüter, zu denen ab 1917 auch der Zucker gehörte. Empfindliche Strafen drohten denjenigen, die Hutzucker teurer als 41 Pfennige pro Pfund verkauften oder denen, die für das Pfund Würfelzucker mehr als 42 Pfennige verlangten. Bei der Belieferung mit Zucker, der weitgehend aus Übersee geliefert wurde (Rohrzucker), hatte sich die englische Seeblockade (ab 1915) stark bemerkbar gemacht Aber noch schlimmer war es um die Versorgung mit Getreide und Kartoffeln bestellt, ganz abgesehen von Fett, Fleisch oder Milchprodukten. Hinzu kam großer Mangel an Erzen für die Rüstung. Da es immer mehr an Treibstoffen für die Kriegsmaschinerie mangelte, wurden von der chemischen Industrie verstärkt Versuche unternommen, aus der ohnehin schon rationierten Kohle Treibstoffe zu gewinnen. An den Eisenbahnknotenpunkten häuften sich zudem nichtbeförderte Materialien, weil die Eisenbahnen aufgrund des Brennstoffmangels (Dampflokomotiven!) nur noch in unregelmäßigen Abständen verkehrten.

Ab 1916 hatte die Reichsregierung Höchstpreise für Fleisch, Fett und Brot festgesetzt. Da aber die Bevölkerung vor allem in den Großstädten Lebensmittel hortete, kam es vielerorts zu Engpässen. In vielen Städten und auch in Herzogenaurach gab es ab 1917 nur noch 50 Gramm Butter pro Woche für eine Familie.

Mangel herrschte ebenso in der Energieversorgung. Verstärkt suchte die Industrie den Mangel durch Ersatzstoffe zu ersetzen. Bald versuchte man auch die für die Rüstung eingesetzten Aluminium- und Kupferwaren, Gummi, Leder und Webstoffe zu ersetzen. Schuhsohlen wurden aus Pappe hergestellt und in den Sommermonaten sowie weit bis in den Herbst hinein liefen die Kinder in Herzogenaurach barfuß. Viel mussten frieren, denn es fehlte an Wolle und Kleiderstoffen, alles wurde in die Rüstung gesteckt. Altwaren waren begehrter denn ja: Herzogenauracher Schulkinder sammelten, was sie in Haus und Hof finden konnten. Und im Sommer wurden sie zum Beerensammeln in die nahen Wälder geschickt – allerdings nicht zum Eigenverbrauch, sondern für die Soldaten an den Frontabschnitten in Frankreich, in Russland oder auf dem Balkan. Es fehlte am Notwendigsten und das Wenige, das noch vorhanden war, wurde für die Weiterführung des Krieges benötigt. Selbst im März 1918 wurden in der Stadt noch Kummetgeschirre zum Einspannen von Pferden eingezogen. Und warum zu dieser Jahreszeit noch Personen- und Lastschlitte in der Stadt kassiert wurden, entbehrt jeglicher Logik.

Längst war auch das Fleisch in Herzogenaurach rationiert. Gastwirt Römmelt (Gaststätte „Zum Löwen“ in der westlichen Hauptstraße) wurde 1918 eine Fleischration von 25 Pfund für eine Woche zugeteilt. Mangels Futter durften in Arbeiterfamilien mit 5 bis 8 Personen nur noch 2 bis 4 Hühner gehalten werden. Für sog. „Versorgungsempfänger“ gab es eine Fleischration von 100 Gramm in der Woche. Haben Sie, verehrte Leser schon einmal 100 Gramm Schweinefleisch in die Pfanne gelegt und gesehen, was davonnach dem Braten übriggeblieben ist?

Überhaupt spitzte sich die Versorgungslage in Herzogenaurach und dem gesamten Landkreis im Kriegsjahr 1918 mehr und mehr zu. Seit Februar wurde die Mehlversorgung der Haushalte über die hiesigen Bäcker organisiert, die auf Mehllieferungen von der Thalermühle angewiesen waren. Ein eigener „Versorgungsausschuss“ war im Landkreis inzwischen eingesetzt worden, der u.a. „die Versorgung der Kinder armer Kriegerfrauen mit Schuhwerk für den Winter“ organisierte. Auch der Besuch „des Herrn Regierungspräsidenten von Oberfranken“ in Herzogenaurach am 9. Oktober 1918 konnte an der fatalen Versorgungssituation nichts ändern, zumal der Regierungspräsident lediglich die beiden Lazarette im „Kurhotel Monopol“ (am Eingang zum Weihersbach; heute „Chili´s“) und im Liebfrauenhaus besuchte. Die Verwundeten und kranken Personen in der Stadt wurden auf allerhöchste Anordnung in den sog. „fleischlosen Wochen“ allerdings mit Fleisch versorgt. Eine scharfe Rüge erhielt der hiesige Schutzmann Herbig, der „schwarz geschlachtetes Fleisch“ beschlagnahmt hatte für seine Äußerung: “Wenn ich gewusst hätte, dass das Kalb die Preussen zu fressen kriechen (gemeint waren die Insassen der Lazarette), hätte ich in Sachen der Schwarzschlachtung überhaupt nichts getan.“ Der Stadtmagistrat wurde beauftragt,“ den Schutzmann …zur Rede zu stellen und wenn sich die Richtigkeit obiger Äußerung herausstellt, demselben einen Verweis zu erteilen.“

Die letzten Reserven wurden im Herbst 1918 im gesamten Reich mobilisiert. Hausfrauen wurden in der Stadt für Heeres-Näharbeiten eingesetzt. Die „Arbeitslehrerin Fräulein Dechant vom Mädchenschulhaus“ wurde vom Dienst freigestellt, weil sie für die „Kriegsnähstube“ in Bamberg Hemden für das Militär nähen musste. Doch alle Maßnahmen, aller Einsatz im Herbst/Winter 1918 waren umsonst: in Kiel meutern die Matrosen, Kaiser Wilhelm II., zuletzt im Hauptquartier im Spa, dankt ab (9. November) und geht ins Exil nach Holland. Philipp Scheidemann ruft die Republik aus. Und auch wenn kein ausländischer Soldat deutschen Boden betreten hatte: der sinnlose Krieg war verloren.

 

Klaus-Peter Gäbelein

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