Es waren nicht wenige Besucher, die im letzten Jahr am Altstadtfest und am Mittelalterfest den altehrwürdigen Fehnturm bestiegen, die Aussicht über das Städtchen genossen und Bilder geschossen haben. Und mancher kam anschließend zu den Mitgliedern des Heimatvereins, die die Aufsicht über den Turm geführt haben, mit der berechtigten Frage nach dem „eigenartigen eisernen Vogel", der rund 30 Stufen über dem Eingang zu sehen ist.
Nur wenige wissen, dass es sich bei dem fast 2m hohen ehemaligen Denkmal um den „Berthold Adler" handelt, der hier seit dem Einmarsch der Amerikaner im Frühjahr 1945 sein Dasein fristet. Und noch weniger Bürgern unserer Stadt ist bekannt, was es mit diesem Adler-Denkmal auf sich hat, vor allem aber, dass es sich bei dem Adler-Denkmal um ein Werk der Ehrenbürgerin Maria Lerch (aus Bamberg) handelt, das am ehemaligen Fröhlichs Keller an der Einmündung der heutigen Hans-Sachs-Straße oder noch besser an der heutigen Flughafenstraße auf dem Weg zum früheren Militärflughafen stand.
Der Bau des Herzogenauracher Militärflugplatzes
Noch bevor der allmächtige Minister für die Luftfahrt, Hermann Göring, in der Bayerischen Volkszeitung vom 19. Februar gefordert hatte, „Das deutsche Volk muss ein Volk von Fliegern werden, findet sich im hiesigen Stadtarchiv folgender Eintrag aus dem Jahr 1934: „Am 16.IX.1934 wurde mit dem Bau des „Notlandeplatzes" durch die Fa, Kurr begonnen. Es waren zeitweise 160 Arbeiter beschäftigt." Im Nordosten der Stadt, wo einst die Zweimarter Linde gestanden hatte waren die ersten Bodenarbeiten erfolgt. (Früher Eingang zur Herzo Base, heute zur Firma ADIDAS gegenüber der Einfahrt zur Mülldeponie)).
Es hatte harte Verhandlungen erfordert, bis 20 Landwirte aus Haundorf, 13 aus Niederndorf, 5 aus Herzogenaurach und 1 aus Häusling ihre Grundstücke aufgegeben hatten.
Mit einer „Geheimen Kommando Sache" (13.06.1935) wurde Herzogenaurach ab dem 01.10.1935 zu einer von neun Fliegerhorstkommandanturen bestimmt. Und am 02. November 1935 kündigte die Stadt Herzogenaurach der hiesigen Bahnstation das Eintreffen einer Garnison von 350 Soldaten an. Der 1. Kommandeur, Major Schmidt, hatte die Bevölkerung schon tags zuvor zur Hissung der neuen Reichskriegsflagge am 07.11.1935 auf dem Fliegerhorst eingeladen.
Die Errichtung des Berthold-Denkmals
Mit der Regierungsübernahme durch die Nationalsozialisten begann neben den zahlreichen Kriegsvorbereitungen auch die Verherrlichung von Personen, die nach dem Zusammenbruch von 1918 durch ihre nationalistisch-kaisertreue Gesinnung aufgefallen waren. Zu ihnen gehörte der am 24.03.1891 im unterfränkischen Ditterswind (heute ein Ortsteil der Gemeinde Maroldsweisach im Landkreis Hassberge) geborene Rudolf Berthold.
Nach der Ablegung des Abiturs in Bamberg trat Berthold 1912 in das Infanterie Regiment „Graf Tauentzien von Wittenberg" ein. Kurz nach dem Eintritt wurde er zum Leutnant befördert, während des 1. Weltkriegs stieg er zum Oberleutnant und Hauptmann auf.
Mit Beginn des 1. Weltkriegs wurde sein Regiment an die Westfront verlegt. Berthold, inzwischen zum Jagdflieger ausgebildet, hatte 44 Luftsiege zu verzeichnen und überlebte mehrere Abschüsse. Für seine „vaterländisch-meisterlichen" Leistungen wurde er mit dem Fliegerorden „Pour le Merite" ausgezeichnet und rückte in die Riege der berühmten Piloten um den legendären „Fliegerbaron" von Richthofen ein. Das Kriegsende erlebte er nach einem Abschuss in einem Berliner Lazarett.
Berthold, kaisertreu und nationalistisch, konnte die deutsche Niederlage ebenso wenig verwinden wie beispielsweise der spätere Führer. Noch während der Oktoberunruhen und der anschließenden Novemberrevolution gründete er 1918 mit Genehmigung der Reichsregierung das „Fränkische Bauern-Detachement Eiserne Schar Berthold" mit Sitz in Bad Kissingen. Ausrüstung und Verpflegung erhielten seine Mitstreiter von der Reichsregierung. Der drohenden Auflösung seiner „Eisernen Schar", eines typischen Freikorps, das sich gegen alle linken Ein- und Angriffe zu Wehr setzte, entging Berthold mit seiner „Eisernen Schar" durch die Flucht nach Königsberg in Ostpreußen. Hier griff man in die Kämpfe zwischen rechtsgerichteten deutschen Verbänden und kommunistischen Freischärlern ein, was dem „Regiment" den Beinamen „Die Baltikumer" einbrachte.
1920 kehrte die Berthold Truppe ins Reich zurück, „zum Zweck der Demobilisierung (Auflösung)". Doch im Raum Stade bei Hamburg widersetzte sich die Gruppe.
Im Zuge des Kapp Putsches (März 1920) kam es schließlich zu einer Schießerei zwischen Rechten und Linken, bei denen Berthold am 16.03.1920 bei Harburg den Tod fand. Sein Leichnam wurde auf dem Berliner Invalidenfriedhof beigesetzt.
Von den Nationalsozialisten wurde der „Märtyrer für das Deutschtum", Rudolf Berthold, später glorifiziert. Kein Wunder also, wenn auf nationalsozialistischen Flughäfen Kasernen an den Kampfflieger des 1. Weltkriegs erinnerten oder gar Flughäfen seinen Namen erhielten. So ist es nicht verwunderlich, wenn sich die politischen Machthaber in Herzogenauracher entschieden, auf dem Weg von der Stadt zum Militärflugplatz ein Denkmal zu Ehren von Rudolf Berthold zu errichten.
Unter Anwesenheit zahlreicher Prominenz wurde am 16. September 1937 oberhalb des Fröhlichs Kellers an der „Hermann-Göring-Straße" (Flughafenstraße) das „Berthold Denkmal" seiner Bestimmung übergeben. Neben bekannten Parteigrößen war auch die Bamberger Künstlerin Maria Lerch (ab 1948 Ehrenbürgerin der Stadt) bei der Eröffnung anwesend.
Auf einer über drei Meter hohen Holzsäule mit der Aufschrift „Rudolf Berthold" thronte ein Adler, der in seinen Fängen einen abgebrochenen Propeller hält.
Die umliegenden Häuser oberhalb der Hans-Sachs-Straße erhielten fortan die Bezeichnung: Berthold Siedlung.
Nach dem Einmarsch der Amerikaner (16. April 1945) wurde das Denkmal als nationalsozialistisches Symbol demontiert. Es wurde nicht eingeschmolzen und wanderte stattdessen in den Fehnturm, der nach 1906 als Heimatmuseum gedient hatte. Und hier steht der Berthold Adler noch heute, leicht angerostet und verstaubt.
Ein Aero Club für Herzogenaurach
Blicken wir zurück in die Geschichte: Die Anfänge der Herzogenauracher Fliegerei gehen zurück auf das Jahr 1911. An einem sonnigen Herbsttag 1911 landete unmittelbar neben dem Bahnhof (unterhalb der Fa. Schaeffler) vom Birkenbühl her kommend ein Fesselballon des Augsburger Ballonfahrer-Vereins. Flugbegeisterte Herzogenauracher, unter ihnen der spätere langjährige Vorsitzende des Aero-Clubs Rudolf Peetz mit Gleichgesinnten wie Georg Nerdinger und Dr. Peter Mensch..
Nach der „Machtergreifung" gelang es gegen den Willen der hiesigen Parteileitung einen eigenen Verein zu gründen (1934). Man organisierte ein Fliegerkonzert im Volkshaussaal (Würzburger Straße) und stellte voller Stolz am Marktplatz ein eigenes Fluggerät vor, allerdings war das „nur" ein Segelflugzeug.
Im Herbst 1977, die Errichtung des Berthold Denkmals jährte sich zum 40sten Mal, gab es eine Initiative des Aero Clubs, dem gusseisernen Denkmal „wieder einen denkwürdigen Platz" zu verschaffen. Auf der Flugplatz Kärwa 1977 hat Bürgermeister Hans Ort dem langjährigen Aero Club Vorsitzenden Rudolf Peetz zugesagt, dass er nichts dagegen habe, wenn der Verein den „Adler" aus dem Museum hole.
Darauf gab es angeregte Diskussionen in der Stadt und die Frage, ob ein rost "braun" angestaubtes Kunstwerk der Stadt am Flugplatz gut zu Gesicht stehen würde, beschäftigte die Gemüter. Und letztlich verzichteten die Herzogenauracher Flieger darauf, den Adler zu neuem Leben zu erwecken und so steht er denn noch heute Spinnweben überzogen im Fehnturm.
Klaus-Peter Gäbelein