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Gesprächskreis: evangelisch-katholisch

Hilde Tiedemann war bei der Einweihung der evangelischen Kirche 1934 dabei

Herzogenaurach. (gä) Die bevorstehende Weihe der neuen evangelischen Kirche nahm der Heimatverein im Rahmen des Gesprächskreises „So war es früher..." zum Anlass, über das Verhältnis der beiden Konfessionen in früheren Zeiten in der Aurachstadt zu sprechen.

Nach einer Einführung in die Geschichte der Kirchenspaltung im 16. Jahrhundert und die Entwicklung der beiden Konfessionen durch Gesprächsleiter Herbert Dummer und Vorsitzenden K.-P. Gäbelein war vor allem Hilde Tiedemann eine gefragte und interessante Gesprächspartnerin im voll besetzten Steinweg 5. Hilde Tiedemann, geborene Köhler, ihre Vorfahren waren evangelisch und hatten 1854 die Eckenmühle gekauft. Sie ist in der Mühle aufgewachsen und war 11 Jahre alt, als die erste evangelische Kirche im September 1934 eingeweiht wurde. Sie gehörte zu den „weißen (evangelischen) Mädchen", die damals den Ehrenzug vom Schloss zum gegenüberliegenden Aurachufer zur neuen Kirche anführten.

„Wir haben uns beim Apotheker Sehring getroffen, wurden in weiße Kleider gesteckt, erhielten Kerzen und sind dann vom Bet Saal (frühere Georgen Kapelle im Schloss) hinüber zur Kirche, die bereits bei unserer Ankunft überfüllt war. Das Wetter war schlecht und der Wind hat die Kerzen immer wieder ausgeblasen. Die Langs Emmi (spätere Frau Nahr) hat auf einem Kissen die Schlüssel getragen und dann dem Dekan Pültz übergeben. (Der Münchauracher Dekan betreute anfangs die hiesige Gemeinde). Das ganze Städtchen war auf den Beinen, auch das Interesse und die Beteiligung der Katholiken war riesengroß." Soweit Hilde Tiedemann.

Die wenigen evangelischen Familien, die hier vor dem Krieg lebten, waren eine verschworene Gemeinschaft, die es nicht immer leicht hatte in ihrer Diaspora. Immer wieder hatte man ihnen Schwierigkeiten bereitet: Im 19. jahrhundert mussten Verstorbene noch in Münchaurach beigesetzt werden. Und überhaupt war die frühere Klosterkirche das Ziel beim sonntäglichen Gottesdienstbesuch.

Hilde Tiedemann war die einzige evangelische Schülerin in ihrer Klasse und das letzte Herzogenauracher Mädchen, das in Münchaurach konfirmierte wurde.

An ihre Schulzeit hat sie teilweise weniger schöne Erinnerungen: Sie war halt eine Außenseiterin, eine Exotin, „a Lutherische halt",  unter lauter katholischen Mädchen, die ihrerseits engen Zusammenhalt pflegten. Mit Schrecken erinnert sie sich an die Religionsstunden, in denen sie teilweise das Klassenzimmer verlassen musste und selbst bei größter Kälte keinen geheizten Raum vorfand. Einmal erbarmte sich die Hausmeisterin des Mädchenschulhauses und ließ die Kleine bei tiefsten Temperaturen in ihre warme Küche. Auch an honorige katholische Geistliche hat sie keine gute Erinnerung: Sie missachten die Kleine, ihr Gruß blieb unerwidert, selbst die Tür hat mancher Pfarrer ihr vor der Nase zugeschlagen. „Eine löbliche Ausnahme bildete hierbei lediglich Kaplan Grenner, bei dem ich sogar am katholischen Religionsunterricht teilnehmen durfte", so Hilde Tiedemann.

Dass Evangelische „andere Menschen" waren, erlebte die geborene Eckenmüllerin an manchen Freitagen in den Pausen in der Schule. Wenn sie genüsslich in ihr Wurstbrot biss, aßen die katholischen Klassenkameradinnen Käse oder blankes Margarinebrot, denn ihnen war der Verzehr von Fleisch und Wurst am Freitag untersagt. Und als sie einmal eine katholische Klassenkameradin am Freitag vom Schinkenbrot beißen ließ und derselben dann eröffnete "des musst jetzt beichten!", spuckte diese sofort den Bissen wieder aus.

Barbara Haenisch erinnerte sich, dass die Mädchen am Montag im Religionsunterricht stets gefragt wurden, ob sie den Sonntags-Gottesdienst besucht hätten. Als eine Klassenkameradin erzählte, sie sei mit ihrer (evangelischen) Mutter in der evangelischen Kirche gewesen erhielt sie zur Antwort „Das gilt nicht, du musst in den katholischen Gottesdienst gehen."

Schwierig war es auch für konfessionell gemischte Paare. Der evangelische Partner musste versprechen (schwören!?) die Kinder katholisch taufen zu lassen und zu erziehen. Manch jungen Herzogenaurachern klangen die Worte ihrer Eltern in den Ohren „Alles darfst du bringen, bloß keine(n) Lutherischen". Mischehen waren lange Jahre verpönt und manche®  wich nach Erlangen aus, um sich dort „gemischt" trauen zu lassen.

Zum Ende des interessanten Gesprächsabends kam auch zur Sprache, dass es Katholiken in der evangelischen Diaspora nicht anders ergangen ist als den Protestanten in Herzogenaurach. Lobend wurde erwähnt, dass heute die beiden Konfessionen erfreulicherweise intensiv aufeinander zu gehen und dass in der Stadt echte Ökumene angesagt ist.

                                                                                    gä

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